Ich habe mir heute die Frage gestellt, warum es so selten ist, dass jemand Gewahr-Sein realisiert. Die Antwort ist sogar relativ einfach: Weil fast keiner weiß, was es ist, das er da eigentlich sucht! Ich kam darauf, weil ich auch nicht gewusst habe, was ich eigentlich suche und es daher auch nicht sofort erkannte, als es sich einstellte. Darum werde ich hier einmal beschreiben, wie es mir ergangen ist, vielleicht ist das dem Einen oder Anderen nützlich, denn es scheint bei diesem Thema tatsächlich ein Informationsdefizit zu geben. Denn, obwohl schon viele Menschen aus ihrer Erfahrung darüber gesprochen und geschrieben haben, scheint es doch extrem schwierig für im Ich-Bewusst-Sein verhaftete Menschen zu sein, diesen einfachen und grundlegenden Zustand zu erkennen und zu verstehen. Und da mir die Fähigkeit gegeben ist, Sachverhalte einfach zu beschreiben, tue ich das hiermit…
In früheren Zeiten wurden das Ziel der Selbsterkenntnis in Form der Erreichung von Göttern und Göttinen angesehen. Man wollte zur Seite eines „Gottes“ sitzen und nicht mehr geboren werden müssen – also erlöst werden. Später, im Tantra (vor ~ 1000 Jahren) , versuchten dann die einschlägigen Lehrer einen natürlicheren Ansatz, der aber immer noch mit diesem Götter-Zeugs durchsetzt war. Das führt aber die Leute in die Irre!
Es geht keinesfalls darum irgend einen „Gott“ zu erreichen – denn der kann allenfalls Inhalt im Gewahr-Seins-Raum sein. Es geht immer nur um den reinen Moment, und um alles das, was jetzt da ist – im „Raum“ des Gewahr-Seins. Denn dieses universelle Gewahr-Sein ist das Urprinzip, das Prinzip der Existenz, das da sein muss, bevor überhaupt irgend etwas anderes in Existenz kommen kann und das alles hervorbringt und aus seiner eigenen Substanz erschafft – inklusive sämtlicher „Götter“.
Aber jeder Versuch, danach zu greifen muss automatisch das Ego, das personifizierte Ich-Gefühl, stärken, denn das ist es ja letztendlich, was das will. Wenn man aber selbst erlebt hat, dass Gewahr-Sein der Raum, das Kontinuum ist, in dem sämtliche Objekte erscheinen, dann wird völlig klar, dass eine bewusste Ego-Aktion niemals dazu führt, den Raum zu gewahren, sondern dazu, noch stärker das Ego zu gewahren, das ja nichts anderes ist als das am stärksten fokussierte Objekt in diesem Raum.
Wie kann man diesem Dilemma ausweichen? Indem man nichts geplant macht, sondern einfach nur bei sich bleibt und spontan das tut, was notwendig ist. Und notwendig ist immer das, was gerade anliegt und erledigt werden muss. Sobald man aber von Selbsterkenntnis hört und meint, sich nun auf den Weg dahin machen zu müssen, sitzt man schon in der Falle! Warum? Weil es kein Weg ist!
Die Selbsterkenntnis besteht darin, zweifelsfrei zu erkennen, dass man das zugrunde liegende Gewahr-Sein ist, welches aber vom Ich-Bewusst-Sein niemals erkannt werden kann – egal was es auch tut. Das geht nicht, weil es ja das Gewahr-Sein selbst ist, das sich auf das „Ich-Gefühl“ fokussiert und so zum Ich-Bewusst-Sein wird. Und je mehr sich dieses Ich-Bewusst-Sein dann bemüht und abzappelt, um über das „Ich“ hinaus zu kommen, umso stärker wird der Fokus auf dieses „Ich“ und umso mehr wird es zu diesem, immer stärker werdenden, „Ich“.
Das bedeutet, dass jeder, der bewusst und geplant meditiert, um erleuchtet zu werden alles andere erreichen wird aber niemals das! Er wird vielleicht wunderbare Bewusst-Seins-Zustände erleben – Nirvikalpa, Nirvana oder sonst etwas – aber er wird niemals das bemerken, was dieses Nirvikapla und Nirvana gewahrt.
Es wäre mir noch vor zwei Wochen unmöglich gewesen, das so exakt zu erkennen und zu beschreiben – aber heute ist es glasklar! Kein Jemand wird jemals Selbsterkenntnis erfahren! Nur ein Niemand, einer, der aus irgendeinem Grund aus diesem Jemand, aus diesem Ich-Bewusst-Sein heraus gefallen ist, kann tatsächlich erkennen, dass er nur reines Gewahr-Sein ist.
Das Verrückte ist, selbst wenn man das Gewahr-Sein erreicht, heißt das noch nicht, dass man Selbst-Erkenntnis besitzt! Selbst-Erkenntnis ist das absolut klare, nicht-mentale WISSEN, dass man DAS ist. Mit WISSEN ist aber keinesfalls gedankliches, abgespeichertes Wissen gemeint! Es handelt sich hier um ein inneres Wissen, um das klare Wissen des Gewahr-Seins, dass es das Selbst ist! Suzanne Segal hat zwölf Jahre lang gelitten, weil sie dachte, dass mit ihr irgend etwas nicht stimmt. Bis ihr jemand sagte: „Du bist doch nicht krank – Du bist nur vollkommen erleuchtet!“ Und dann hat sie noch etliche Bestätigungen gebraucht, bis es bei ihr „klick“ machte.
Bei mir hat sich die Annäherung an das jetzige dauerhafte Gewahr-Sein etwa fünf Jahre lang hingezogen – indem ich andauernd auf den inneren Ton lauschte, was ja mehr oder weniger passiv ist. Man hört den Ton und ist in der Stille, voll da. Wenn der Ton weg ist, wird das irgendwann bemerkt und die Aufmerksamkeit richtet sich erneut darauf. Das ist keine geplante Übung, da es den ganzen Tag über stattfindet und recht schnell automatisiert wird. Dadurch wurde das Ego nicht gemästet und aufrecht erhalten, sondern langfristig immer mehr geschwächt.
Wie ich heute weiß, war dieser Zustand sofort da, als ich das erste Mal auf den inneren Ton hörte und aus dem Denken herausgelöst wurde. Denn das Gewahr-Sein liegt vor dem Denken, vor dem denkenden Ich-Bewusst-Sein, weil es dessen Vor-Zustand ist: nicht fokussiertes, nicht identifiziertes Gewahr-Sein, das alle Objekte im Gewahr-Seins-Raum wahlfrei wahrnimmt. Aber natürlich hat dieser Zustand nicht angehalten, am Anfang bin ich schon nach ein Paar Sekunden heraus gefallen und habe oft erst Stunden oder Tage später gemerkt, dass ich nicht mehr da drin bin. Es hat etwa vier Jahre gedauert, bis sich das relativ stabilisiert hatte. Ich wusste aber nicht, dass dieser einfache Zustand bereits das Ziel der Selbst-Erkenntnis ist!
Vor einem Jahr, im November 2014, kam es dann zu einigen gravierenden inneren Erlebnissen, die offenbar dazu führten, dass die Stille dauerhaft blieb, was aber auch nur im Rückblick erkannt wurde. Seit über einem Jahr ist da einfach immer Stille und Frieden und alles ist gleichzeitig präsent. Das ist so natürlich und einfach und auch sehr angenehm, weil keine Gedanken mehr stören – aber ich wäre im Traum nicht darauf gekommen, dass dies das Ziel von Selbsterkenntnis sein soll. Ich dachte immer, dass da noch „etwas fehlt“, „etwas Spektakuläres“ – und so ging die Suche weiter…
Das Wissen um das Bewusst-Sein und das Gewahr-Sein war da, ich konnte die Unterschiede deutlich erkennen – ob zB gerade ein Objekt-Bewusst-Sein da war oder nicht. Aber was fehlte, war eine eindeutige Bestätigung, die vollkommene Sicherheit: das ist es. Ich hatte vor einigen Monaten auch schon mal mit jemandem darüber gesprochen, der mir sagte, dass da nichts besonderes wäre – aber das hat auch nichts gebracht. Die Suche ging einfach immer weiter, weil ich nicht sicher wusste. Manchmal schien es so, als ob sie geendet hätte – das hielt aber immer nur ein paar Tage an, dann kam es wieder dazu, dass weiter geforscht wurde, was „das“ denn eigentlich ist…
Das ging bis Anfang dieser Woche. Ich machte mir am Montag (14.12.2015) den ganzen Tag Gedanken darüber, warum ich nicht mit der Suche aufhören kann und wünschte mir, dass ich endlich erkennen und Ruhe finden zu können. Am Abend las und übersetzte ich dann fast zwanghaft bis etwa ein Uhr früh mehrere englische Beschreibungen darüber, wie sich die Selbst-Realisierung anfühlt und was man da eigentlich erkennt. Das war ziemlich mühsam, weil mein Englisch nicht so gut ist und ich immer wieder nachschlagen musste. Ich ging dann mit brennenden Augen und hundemüde ins Bett…
Es muss dann aber, entweder bei der Übersetzung der Texte oder im Schlaf, irgend etwas passiert sein, von dem ich nichts bemerkt habe. Ich weiß nur, dass ich am Morgen aufwachte und sofort ein überwältigendes WISSEN und eine absolute SICHERHEIT hatte, dass ICH DAS BIN, dass Ich die Quelle bin. Das alles war begleitet von einer großen Freude – und führte zu diesem Text, der sich mir auf dem Weg ins Büro zeigte und den ich sofort aufschreiben musste.
Zusammenfassend kann ich sagen, dass ich diesen Zustand nicht als das Ziel der Selbst-Erkenntnis erkannte, weil er so einfach ist. Das Gewahr-Sein ist nichts besonderes, so einfach und grundlegend, dass ich es einfach nicht glauben konnte, dass es das sein soll. Aber es ist völlig eindeutig, es gibt nicht mehr den geringsten Zweifel! Ein ganz wichtiger Punkt ist, dass die Suche solange zwanghaft weiter läuft, bis das Gewahr-Sein sich als das Selbst erkennt – in diesem Moment endet sie von selbst. Das kann man nicht machen und auch jegliche Überzeugungs-Versuche müssen zwangsläufig scheitern. Das alles hat nichts mit der Person zu tun, denn die Person ist nur ein gewahrtes Objekt im Gewahr-Seins-Raum.
Ein weiterer Punkt, der sich gezeigt hat, ist, dass bei dauerhafter Erreichung der inneren Stille (Gewahr-Sein, Gedankenfreiheit) die Energiezentren (Chakren und Nadis) automatisch gereinigt, ausgeglichen und geöffnet werden.
Die Merkmale der Realisation von Gewahr-Sein, das identisch ist mit dem Selbst, sind:
- Eine tiefe, innere Stille.
- Ein tiefer Frieden, da es nicht zu inneren, geistigen Kämpfen kommt.
- Entspannter Zustand aber hellwach und vollkommen präsent.
- Gewahr-Sein ist einfach und natürlich – aber „ich“ kann es nicht machen.
- Der Körper wird als Ganzes wahrgenommen (Körper-Gewahr-Sein)
- Das Ich-Gefühl wird klar als ein Objekt im Gewahr-Seins-Raum erfahren.
- Aufkommende Gedanken werden gewahrt, ohne sie zu erfassen oder sich auf sie zu konzentrieren.
- Alle Wahrnehmungen werden gleichzeitig gewahrt, im Gewahr-Seins-Raum (Ausdehnung, Feld).
- Gewahr-Sein ist immer allumfassend, gleichzeitig und passiv. Im Gegensatz dazu ist das Ich-Bewusst-Sein immer verengt auf ein oder wenige Objekte, deren es sich bewusst ist und die sequentiell erfasst werden.
- Alle Wahrnehmungs-Objekte werden automatisch zuerst als gleich gesehen – da sie gemeinsam im Raum sind und – als von Gewahr-Sein und leerem Raum durchdrungen – erkannt werden.
- Unterschiede sind nur oberflächlich und der Form zugehörig.
- Die Objekte im Gewahr-Seins-Raum werden nicht als „Jemandem“ zugehörig betrachtet – sie sind einfach „da“.
- Das Gewahr-Sein gewahrt die Dinge mit einer ganzheitlich-ausgleichenden Sicht.
- Es ist intuitives WISSEN verfügbar, das nicht dem Denken entspringt, sondern da ist, wenn es gebraucht wird.
- Die Energiezentren (Chakren) öffnen und harmonisieren sich von selbst.
- Die Suche hört auf, sobald das Gewahr-Sein sich als das Selbst erkennt.