Gestern Abend war ich nochmal mit dem Hund draußen. Es war eine relativ klare Nacht und so konnte ich das All in seiner ganzen Pracht betrachten. Ich sah die Schwärze und die Lichtpunkte, zu denen wir „Sterne“ sagen. Und da war auch ein winziges Gefühl, des Wieder-Erkennens – aber noch nicht ausgeprägt, nur eine Ahnung, wie der Beginn eines langen Fadens, dessen Ende sich im Nebel verliert…
Heute Morgen wachte ich um etwa 4:15 auf und wollte mich gleich wieder umdrehen und weiterschlafen. Aber da war ein leises, drängendes Gefühl, mich auf den Rücken zu legen und mit geschlossenen Augen in mich hinein zu schauen, wie ich es seit Monaten fast jeden Morgen tue und immer etwa um um die gleiche Zeit. Das tat ich dann auch und dann erklang die Kirchturmglocke genau einmal: Boooommmm… Beim Ausklang des vibrierenden Tons, wurde ich ins leere Gewahr-Sein gezogen und die innere energetische Aktivität entfaltete sich spontan und natürlich. Der ganze Körper vibrierte und prickelte, vor dem inneren Auge war alles schwarz und in der Schwärze waren viele aufblitzende Lichtpunkte…
Dann kam plötzlich ein Gedanke auf: Das ist ja, wie das Universum gestern Abend… Das erzeugte so etwas, wie einen Schlag in mir, ein schockartiges Wieder-Erkennen und plötzlich konnte ich es sehen. Endlich konnte ich vollkommen sehen, spüren und erkennen, was ich die ganze Zeit immer nur bruchstückhaft und immer nur temporär erkannte: Es gibt nur EIN Wesen – das Universum ist in mir – und ich bin das Universum.
Wenn wir beim Ausklang eines Tons oder am Ende des Ausatmens loslassen und uns in den sich dann öffnenden Raum hinein entspannen, dann öffnet sich das innere Universum, der innere Mikrokosmos, der immer da ist. Wenn dann der Verstand vollkommen still steht und keinerlei Ablenkung da ist, dann werden die feinen energetischen Vibrationen in Form von Lichtblitzen und Klängen sichtbar und fühlbar. Das ist das individuelle Bewusstsein (Schwärze), gefüllt mit energetischer Aktivität (Vibrationen, Klang, Licht).
Wenn wir, wie ich gestern Abend, in einer klaren Nacht in den Himmel schauen, dann sehen wir exakt das gleiche: Schwärze und ungeheuer viele Lichtpunkte darin. Was sehen wir da? Das universelle Gewahr-Sein mit seinem energetischen Inhalt.
Das ist die Entsprechung: Wie innen, so außen!
Jetzt kann ich es endlich sehen, fühlen und erkennen – und zwar immerzu und nicht mehr temporär. Ich habe das Gewahr-Sein seit exakt 55 Jahren und einem Monat geatmet, gegessen, getrunken, ausgeschieden, bin hindurch gegangen, habe damit gearbeitet, habe zu ihm gesprochen und ihm zugehört, habe es gehasst und geliebt. Es war immer um mich herum und in mir – und ich habe es nicht gemerkt!
Aber nun weiß ich, niemand braucht irgendwo hinzugehen, niemand braucht irgend etwas zu suchen – denn es ist da, vor unseren Augen! Es ist der Schmutz unter unseren Füßen, die Luft, die wir atmen, das Essen, das wir essen und das Wasser, das wir trinken – sogar das Bier und der Wein – und was daraus wird, nachdem es den Körper wieder verlässt. Das und alles andere, was existiert ist Gewahr-Sein.
ALLES ist GEWAHRSEIN – GEWAHRSEIN ist ALLES!
Ich wollte immer wissen, wie Suzanne Segal das empfindet, denn sie hat es in ihrem Buch so wunderbar beschrieben – aber ich konnte es nicht nachempfinden. Nun kann ich es – nun bin ich es!
Und eines ist mir völlig klar: Jemand, der voller Gedanken ist – und nicht vom Leben schlagartig und endgültig auf die andere Seite geworfen wird – der also über die Brücke gehen müsste und es nicht tut, wird niemals dahin kommen, das zu erkennen. Denn, um das zu erkennen, muss man so lange vollkommen leer sein, bis diese Erkenntnis einschlagen kann. Jeder, der das nicht kann, wird sein ganzes Leben lang damit verbringen, darüber nachzudenken, was zum Teufel denn Gewahr-Sein ist – obwohl er selbst und alles um ihn herum nichts anderes ist, als reines Gewahr-Sein….
Auch ein Mensch, der das schon einmal wusste – weil er es in einem Erleuchtungsblitz erkannte – aber danach wieder im Verstand versackte und es vergaß – ist in der gleichen Lage. Außer er lernt, wie er leer werden kann – oder er erkennt erneut schlagartig die Wahrheit und hält sich diesmal für immer daran fest…
Ihr alle schaut immer in die Wirklichkeit! Aber ihr seht sie nicht – ihr seht nur einen dichten Nebel voller Worte und Sätze in Form von inneren Gedanken und äußerer Sprache. Worte enthüllen nicht die Wirklichkeit – Worte verhüllen die Wirklichkeit, nebeln sie ein. Die Wirklichkeit ist das, was diese Worte, diese Gedanken enthält, der Raum, in dem sie auftauchen und wieder verschwinden.
Buddha wusste das und nannte es „Nichts“. Heraklit wusste es auch und nannte es „Logos“. Und auch Jesus wusste es und er nannte es „Vater“. Viele andere wussten es ebenfalls und nannten es „Gott“, „Jahwe“, „Shiva und Shakti“ oder „Tao“. Aber die anderen, die das nicht direkt erfahren und erleben konnten, die nur deren Worte hörten oder lasen, begriffen es nicht. Sie konnten es nicht begreifen, weil sie voller Worte waren, und darum nannten sie Heraklit den „Dunklen“. Weil sie voller Worte waren, sahen sie auch nur die Worte und nicht die Wirklichkeit auf die sie verwiesen. So kauten sie auf den Worten herum und machten aus der ursprünglich einfachen, direkten Erfahrung ein Konzept, ein System, eine Philosophie – und eine Religion.
Menschen, die so agieren, nennt man Denker und Philosophen. Sie stützen sich auf Schriften und Auslegungen, ertrinken in ihren eigenen Worten und bilden sich ein, dass sie wüssten. In Wirklichkeit wissen sie gar nichts, denn das, was sie wissen, sind nur Worte: sie glauben, dass das Wort „Baum“ der tatsächliche Baum ist. Und weil sie nur diese Worte wissen und immerzu darauf schauen und sie wiederkäuen, können sie nicht leer werden, um das Mysterium des Seins direkt zu schauen.
Die Wahrheit ist eine Gefahr für im Verstand zentrierte Machteliten und Philosophen, die ja nur ihr Wortwissen haben, das aber nicht der Wahrheit entspricht. Sie ist deshalb eine Gefahr, weil potentiell jeder einfache Mensch die Wahrheit erkennen kann – nur sie nicht. Das würde ihre Machtbasis untergraben und sie dastehen lassen, wie unwissende Kinder – und das ist der Grund dafür, dass seit Jahrtausenden immer wieder Mystiker verfolgt wurden. Mystiker verlassen sich nur auf ihre eigene Erfahrung und bilden damit einen Gegenpart zu etablierten und mächtigen Kirchen und Institutionen, die natürlich nur ihre eigene Sichtweise dulden und davon abweichende bekämpfen. Das wird sich solange nicht ändern, wie die Mehrzahl der Menschen sich nicht auf sich selbst und eigene Erfahrungen stützen, sondern vorgegebene Dogmen aus Angst, Faulheit oder Unwissenheit vorzieht.
Die Wahrheit in wenigen Sätzen ausgedrückt lautet:
Es gibt nur EIN Wesen: Das Universum ist in mir – und ich bin das Universum.
Die Wirklichkeit ist der unendliche Raum – die offene Weite, die alles enthält.
Die Wirklichkeit ist aber auch das, was in diesem Raum enthalten ist!
ALLES ist GEWAHRSEIN – GEWAHRSEIN ist ALLES!
Die Wirklichkeit ist EIN lebendiges Wesen: DAS!
DU bist DAS! Immer, auch dann, wenn Du das nicht weißt…
Philosophen und Denker sind oft wortgewaltige und kluge Menschen – viel zu voll und zu kompliziert, zur einfachen, direkten Erfahrung des Seins…