Die Welt und die Wortbildungs-Maschine

Es ist immer wieder interessant, zu sehen, wie fast alle auf sich selbst hereinfallen. Ich nehme mich da nicht aus – denn es ist einfach sehr schmerzhaft, wenn ich beobachte, wie die Dinge aktuell sind – so dass immer wieder Impulse hochkommen, die bewirken, dass ich innerlich versuche, etwas zu ändern, was nicht zu ändern ist. Ich bin noch nicht soweit, dass ich das nicht mehr wahrnehme und ich weiß auch nicht, ob ich jemals dahin komme oder ob das überhaupt erstrebenswert ist. Wahrscheinlich muss ich mit dem Schmerz leben und den Impuls zur Änderung immer wieder und so schnell wie möglich als das erkennen, was er ist: ein nutzloses geistiges Machen. Somit ist das hier Geschriebene vor allem auch als Hinweis an mich selbst zu verstehen. Das Folgende entstammt Beobachtungen von Prozessen, die in mir und anderen ablaufen und deren Output.

  • Fast jeder glaubt instinktiv, dass das, was er und die Anderen mit dem Verstand machen, relevant ist und sich auf sein Leben und die Gesellschaft auswirkt.
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  • Einige glauben, dass das, was die Anderen machen, von Automatismen gesteuert wird – aber das, was sie mit dem Verstand machen, relevant ist und sich auswirkt.
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  • Sehr wenige realisieren, dass alles von Automatismen gesteuert wird und nichts, was mit dem Verstand gemacht wird, relevant ist und sich auswirkt.

Der Verstand und sein Inhalt ist wichtig, wenn es darum geht, eine Straße zu finden – aber er wirkt sich nicht aus auf eine Gesellschaft oder auch nur das eigene Leben.

Das Leben jedes Wesens wird von automatisch ablaufenden Prozessen gesteuert, die abhängen von der Zusammensetzung seiner Physis und Psyche und von Umwelteinflüssen.

Diese Automatismen werden auch beeinflusst von gruppendynamischen Effekten, Glauben und Manipulationen. Nochmal: der Verstand wirkt sich nicht aus – er plappert nur über die automatisch ablaufenden Prozesse und tut so, als ob dieses Plappern etwas ändern würde – was es aber nicht tut.

Der Verstand ist eine Wortbildungs-Maschine, die dazu dient, den Eigenschaften der Umwelt und dem, was in der Umwelt vorgeht, Namen und Geschichten zuzuordnen, so dass sie als „Wissen“ abgespeichert und anderen mitgeteilt werden können. Wer das erkennt, kann diese Maschine getrost abhaken – sie kann nichts neues schaffen, sondern nur in bereits Vorhandenem herumrühren und ihm neue Namen und Geschichten zuordnen. Es gibt eine wissenschaftliche Disziplin, die hier besonders aktiv ist: die Philosophie.

Die gesamte Erscheinungswelt – inklusive aller Wesen und Objekte – funktioniert grundsätzlich immer gemäß ihrer Konstruktion und momentanen Gesamtverfassung. Die Lebensenergie folgt immer der Aufmerksamkeit und diese folgt der Gesamtverfassung der Umwelt. Direkt nach dem Umklappen in einen aufbauenden Zyklus ist alles zuerst ungeordnet und chaotisch, nichts funktioniert. Alle sind hungrig und darauf aus, neues zu schaffen und ihre Situation zu verbessern. Daher folgt die Aufmerksamkeit aufbauenden Impulsen und die Energie fließt in den Aufbau.

Erreicht die Aufbauphase ihren Höhepunkt, dann sind die Organismen satt – und damit folgt deren Aufmerksamkeit nicht mehr den aufbauenden, sondern erhaltenden und konsumierenden Einflüssen, was mit Stillstand einhergeht. Energie ist Bewegung – stillstehende Energie gibt es nicht. Ein Stillstand bewirkt stets ein Umklappen des Energieflusses hin zum anderen Pol – in diesem Fall zum Negativ-Pol. In der Negativ-Phase (Abbauphase) degenerieren sowohl die Organismen als auch die Umwelt. Alles wird ungeordnet und chaotisch und am Höhepunkt des Chaos, wenn gar nichts mehr geht, klappt der Zyklus wieder um, hin zum Positiv-Pol.

Somit kann man sagen: die Welt steuert sich selbst. In dieser Aussage ist jedes Wesen und jedes Objekt mit inbegriffen – denn jedes Wesen ist integraler Bestandteil der Welt. Das kann man sehen, wie eine einzelne Blutzelle in einem Organismus – der Organismus hat sie erzeugt und wird sie am Ende ihres Lebenszyklus wieder vernichten und absorbieren. Niemand würde ernsthaft behaupten, dass eine Blutzelle ein unabhängiges Leben besitzt und ihr eigenes Leben und Verhalten steuern könnte – oder gar das des hervorbringenden Organismus.

Zur Wiederholung: Die Wortbildungs-Maschine erzeugt ständig neue Namen und Geschichten über die automatisch ablaufenden Prozesse der Umwelt (Erscheinungs-Welt) und des (vermeintlich) eigenen Körpers. Diese Geschichten sind nur Worte und Beschreibungen im Verstand – elektrische Impulse im Gehirn – und können sich niemals auf physische Objekte auswirken. Das gilt für die Vergangenheit, die Gegenwart und die potentielle Zukunft.

Das Verhältnis zwischen Welt und Verstand ist wie folgt: Der Verstand plappert und die Welt kümmert sich nicht darum…

Und wo bleibt da das Bewusstsein?
Das Bewusstsein beruht auf Gewahrsein – und ist der zugrunde liegende Mechanismus, der im Wachzustand alle diese Prozesse (als) wahr nimmt und bezeugt. Gewahrsein mit Welt ist Bewusstsein – reines Gewahrsein, ohne Welt, ist leer von Inhalt und sich nur seiner selbst gewahr. Jedes Lebewesen ist nichts anderes als ein Punkt im Meer des leeren Gewahrseins, der gerade damit beschäftigt ist, die Welt zu erzeugen und (als) wahr zu nehmen.

Was ich wirklich bin, ist ein aktiver Punkt im leeren Gewahrsein, der gerade damit beschäftigt ist, Bewusstsein und Welt zu erzeugen und (als) wahr zu nehmen. Meine Aufgabe als dieser individualisierte Gewahrseins-Punkt ist es, mich in der physischen Welt voll einzubringen – und gleichzeitig zu wissen, was ich wirklich bin. Dazu gehört, diese Welt als gegeben so anzunehmen, wie sie sich mir momentan zeigt. Das nennt man Selbst-Erkenntnis. Und Selbsterkenntnis ist das Einzige, was mich wirklich interessiert – alles andere ist nachrangig. Darum kommt dieses Thema auch in nahezu allen meinen Beiträgen vor oder schimmert zumindest durch.

Ich habe das vor einigen Wochen so ausgedrückt:

Die Wahrheit = der LOGOS bringt die Erscheinungswelt hervor und steuert sie
– und kann nur begriffen werden, wenn man ihr demütig und passiv lauscht.
Dies ist die Entsprechung von: Nichts ist alles, alles ist Nichts.

Heute würde ich auch sagen:

Selbst-Erkenntnis ist die Erkenntnis dessen, was ich bin.
Was ich bin ist die Wahrheit.
Ich bin die Wahrheit.
Ich bin.