Das Dunkel mangelnden Gewahrseins auflösen

Mahamudra-Praxis: Das Dunkel mangelnden Gewahrseins auflösen

Auszug Seite 58:

Mahāmudrā-Meister erklären sie als Zeichen, dass die Muster emotionaler Trübung und dualistischen Denkens, die latent im Geistesstrom aktiv sind, nun offenbar werden und dadurch in ihrer Leerheit bereinigt werden können. Ganz natürliches, offenes Sein – die Praxis, die typisch für Mahāmudrā ist – bewirkt, dass sich die innewohnenden Muster zeigen. Sie zeigen sich als die verschiedenen Hindernisse und Verstrickungen, die da erlebt werden. So werden sie bewusst, so zeigen sie sich, und damit können sie bearbeitet werden.

Sie können dadurch in ihrer Leerheit, in ihrer Eigennatur, bereinigt werden. Es heißt allgemein, wie z.B. in den Unterweisungen zu Pfad und Frucht, dass diese Muster sich während der Praxis der Vollendungsphase mit Merkmalen aufgrund bestimmter Bedingungen zeigen, wenn durch die Kraft emotionaler Trübung und dualistischen Denkens sowie verwandter geistiger Prozesse die subtilen Energiekanäle, -ströme und -tropfen mit Bewusstheit zusammenkommen.

Klassische Beispiele für die Vollendungsphase mit Merkmalen sind die Sechs Yogas von Naropa, z.B. die Tummo-Praxis. Aber auch in jeder Yidam-Praxis kommt nach dem Visualisieren eine Vollendungsphase, in der man noch eine letzte Keimsilbe visualisiert, oder den Urton – Nada – noch innerlich hört. Das nennt man Vollendungsphase mit einigen Merkmalen.

Die Mahāmudrā-Praxis des natürlichen Seins ist auch eine Vollendungsphase mit Merkmalen, weil in diesem total entspannten, offenen Sein immer noch leichte Bezüge zu Sinneserfahrungen sind. Und genau das braucht es, damit sich diese inneren Muster zeigen können.

In einer Vollendungsphase ganz ohne Merkmale, d.h. ganz ohne Bezugspunkte, tauchen diese Muster nicht auf. Da ist der Geist völlig frei von Subjekt-Objekt-Bezug und da können die noch latent vorhandenen, dualistischen Muster nicht auftauchen. Wenn ein starkes dualistisches Greifen vorhanden ist, zeigen sich die subtileren Muster auch nicht, weil man sowieso in einem starken Subjekt-Objekt-Bezug ist.

Es braucht dieses entspannte Sein mit einer leichten Bewegung und Beweglichkeit des Geistes, und das ermöglicht, dass diese subtileren Muster zugänglich werden.“