Die alten Zen-Meister, wie Bankei, Huang-Po etc, sprechen oft vom „Ungeborenen“. Das ist im Wesentlichen der stille Geist, ohne Ausprägung und Formung – also ohne Gedanken, Gefühle, Emotionen und verbalem Wissen.
Meiner Erfahrung nach ist es aber so, dass dieses Ungeformte immer da ist, es kann sich unmöglich wandeln oder verschwinden. Vielmehr sehe ich, dass es da bleibt und darin Bewegungen entstehen, die sich dann in den Vordergrund drängen. Im Hintergrund ist aber immer dasselbe weiter vorhanden – ICH BIN – und genau das kann gespürt werden.
Daher muss man nichts abschneiden, weder Gefühle, Emotionen, noch Gedanken, um im Ungeborenen/Ungeformten zu verweilen. Es reicht, als der stille, bewusste Hintergrund zu verbleiben und die Ablenkungen als Ablenkungen zu gewahren.
Aber um dahin zu kommen, muss man den Hintergrund erst einmal zutiefst erfahren haben – ansonsten erkennt man ihn nicht, weil er mir näher ist, als alles andere – weil ICH der Hintergrund BIN.
Das ist der Grund dafür, dass Huang-Po davon spricht, das Denken blitzartig zu lassen/überschreiten. Was er meint, ist, die Konzentration auf das Denken zu lassen und sich auf den immer stillen Hintergrund zu konzentrieren – bzw. als der stille Hintergrund zu verbleiben.
Aber genau das kann kaum geleistet werden, denn die Aufmerksamkeit klebt bei den meisten Menschen am ununterbrochenen, chaotischen Denkstrom – und das ist nicht der Hintergrund, sondern im oder auf dem Hintergrund. Es ist Bewegung in der Stille, Buchstaben auf dem Papier, Inhalt im Bewusstsein.
Und da wir heute im Informations-Zeitalter leben, in dem die Anzahl der verfügbaren Informationen exponentiell zunimmt, wird dieser Klebe-Effekt am Denkstrom und damit an den Worten immer stärker. Man erkennt das zB an den Menschen, die ständig auf ihr Handy schauen und „die Mails oder SMS checken„. Die kleben an Worten, also am Vordergrund und an ihrem Handy und seinen vielen Funktionen. Wenn man ihnen das Handy wegnehmen würde, litten sie sofort an Entzugserscheinungen – weil sie süchtig nach Worten und Bewegungen sind.
Was kann getan werden, wenn man den stillen Hintergrund nicht gewahrt? Man kann zB hellwach und hochaufmerksam auf den inneren Ton hören. Damit überschreitet man das Denken sofort, denn diesen Ton kann man nur dann hören, wenn man sich voll darauf konzentriert.
Da dieser Ton die Urschwingung repräsentiert, konzentriert man sich damit direkt auf das universelle Bewusstsein. Man darf dabei aber nicht schläfrig werden, denn das wäre das Abgleiten in den yogischen Schlaf – Yoga Nidra. Bewusstsein schläft aber nie, es ist hellwach und stets aufmerksam – und darum ist dieser Schlaf das Gegenteil von hellwachem Bewusstsein – es ist ein Abgleiten in die Unbewusstheit.