Was ist das eigentlich, die Person? Viele sagen – und auch ich tue das immer wieder – dass sie nur aus einem Bündel von Vorstellungen besteht. Aber das stimmt nicht ganz. An der Person und ihren Vorstellungen haften haufenweise psychische Programmierungen, die in bestimmten Situationen einrasten und das Verhalten steuern. Insofern ist die Person absolut keine Illusion, sondern handfeste Realität.
Gestern habe ich den Begriff „sich schenken“ gelesen – ein schöner Begriff. Aber wer schenkt sich da eigentlich wem? Wenn sich die Person einer Ideologie oder einer Idee verschreibt und sich dieser schenkt – dann ist das Ego-Sucht. Wenn sich eine Person jedoch dem Leben schenkt, wenn sie bereit ist abzutreten, wenn ist sie bereit ist, die Zügel loszulassen, zurückzutreten und sich bewusst an den Willen des Lebens hinzugeben – dann ist das ein echtes Geschenk, denn das Leben kann erst dann mit voller Kraft durch einen Menschen handeln, wenn dieser die eingebildete Herrschaft abgegeben hat und abgetreten ist.
Die Person ist die Trennung zwischen Leben und Gelebtem, zwischen Bewusstsein und Bewusstseins-Inhalt. Sie ist ein psycho-sozialer Konstrukt, der bewirkt, dass ein Jemand entsteht und glaubt, „sein“ Leben leben zu müssen. Tatsächlich ist die Person aber auch nur Inhalt des Bewusstseins, also eine bloße Erscheinung. Das Leben zeigt sich in Form der Person und des Körpers, des Felsens, des Autos, der Geburt und des Todes – und all das ist aus Sicht des Bewusstseins nur Erscheinung.
Jedoch muss man unterscheiden zwischen der geistigen Wirklichkeit und der physischen Realität. Die physische Realität erscheint zwar in der geistigen Wirklichkeit – aber aus Sicht der physischen Ebene haben wir es mit realen Personen und Körpern zu tun. Und damit eine Person einsieht, dass sie abtreten muss, ist einiges an Arbeit/Leiden notwendig. Jetzt kann man natürlich sagen, dass auch dies das Leben macht und das würde stimmen – aber die Person muss zustimmen und sich beteiligen. Man muss das von zwei Seiten betrachten, nicht nur von einer.
Wenn die Person nicht zustimmt, wird sich keine Bewegung in Richtung Heilung und Ganzheit manifestieren. Die Hauptarbeit besteht darin, überhaupt den Mut aufzubringen, loszulassen und sich hinzugeben. Es geht dabei nicht um „Erleuchtung„, sondern um Ent-Identifizierung, um Loslassen, die verkrampften Finger endlich zu öffnen und sich fallen zu lassen. Von oben gesehen gibt es niemanden – von unten gesehen aber sehr wohl. Um oben und unten zu vereinen muss das aufgeben, was dazwischen sitzt und irrtümlich glaubt, das Steuer fest in der Hand zu haben, dann kann es vom Leben verändert und integriert werden. In manchen Fällen fällt die Person wohl auch völlig weg.
Nochmal: von oben gesehen gibt es keine Person, nur den unpersönlichen, automatischen Ablauf. Von unten gesehen gibt es eine Person und die muss loslassen. In diesem Spannungsbogen lebt jeder von uns. Letztlich besteht die „Ursünde“ darin, dass sich diese Person überhaupt gebildet hat – allerdings passiert das in der frühen Kindheit, als Reaktion auf Außenreize und kann nicht vom Kind gesteuert werden. Insofern ist jeder schuldlos aber auch in der Verantwortung, aus dem Traum der eingebildeten Steuerung aufzuwachen. Soweit ich das sehen kann, besteht die einzige Chance, die jeder hat, darin, sich an das Leben hinzugeben und den Eigenwillen aufzugeben. Dann kann Reibung aufhören.
Reibung entsteht aber auch, wenn die Person die Welt anschaut und sagt: was für eine Scheiße – da muss ich doch etwas tun! Das ist eine klassische Falle. Warum? Weil die Person nur eine eingebildete Steuerungsmöglichkeit besitzt, keine reale. Sie kann daran mitarbeiten, sich selbst zu dekonstruieren oder sich zu riesiger Größe aufzublasen – aber sie kann niemals die Umgebung ändern. Allerdings wird ihre Egomanie sich negativ auf das eigene Leben und die Umgebung auswirken.
Das Leben antwortet immer direkt auf die Art und Weise, wie eine Person mit sich selbst umgeht: wenn innen Krieg, dann auch außen Krieg – wenn innen Frieden, dann auch außen Frieden. Das bedeutet: wenn ich mich selbst bekriege, weil ich Dinge anders haben will, dann erlebe ich außen viel Negatives, was wiederum den inneren Krieg anheizt. Bin ich aber innerlich friedlich, akzeptierend und loslassend, dann wird mich auch das Außen nicht belasten, auch dann nicht, wenn da gerade Krieg herrscht.
Nachtrag: Hier einige Zitate von Meister Eckehart, bei denen relativ klar wird, um was es geht:
- „Wenn Du Dein Ich am Werke spürst, dann lass es fahren, das ist das Allerbeste„,
- „Um ein Vernichten Deiner Selbst geht es Gott und sonst gar nichts„,
- „So sehr Du aus Dir ausgehst, so sehr geht Gott in Dich ein.„,
- „Wirf Dich ganz in Gott und lass ihn mal machen – und hab Du die Ruh„,
- „Selig sind die, die da geistig arm sind“