Bei der Selbsterkenntnis geht es nur um eines: um die eigene Selbst-Erfahrung. Jede Erfahrung, egal, ob sie gut oder schlecht ist, muss in einem selbst gefühlt und erspürt worden sein. Fremde Erfahrungen, von denen man gehört oder gelesen hat, sind nur insofern etwas wert, als sie darauf hinweisen, dass da etwas sein könnte, was man selbst noch nicht erfahren hat – was dazu führen kann, dass man bei sich selbst genauer hinschaut. Zu etwas anderem taugen fremde Erfahrungen nicht. Eine Ausnahme sind Anleitungen für die innere Arbeit, die auf einer profunden fremden Erfahrung basieren und dem Aspiranten zeigen sollen, wo er bei sich selbst schauen muss und wie.
Äußere Erfahrungen (Welt-Erfahrungen) sind in meinen Augen nur dazu gut, nach innen zu zeigen. Wenn zum Beispiel jemand in seinem Leben viel Leiden erfährt, dann sollte er sich fragen, warum ihm das so geschieht, denn das muss einen Grund haben. Wenn dieser Mensch gleichzeitig an seinem Inneren interessiert ist, aber noch nicht soweit ist, nur noch daran interessiert zu sein, dann sind solche leidvollen äußeren Erfahrungen möglicherweise ein Hinweis darauf, dass er vielleicht einmal seinen tieferen Willen in Erfahrung bringt – und dann entsprechend handelt.
Ich weiß noch, dass ich etwa zwei Monate bevor ich die spontane Initiation erfuhr, einen unbändigen Trieb hatte, endlich nach innen durchzubrechen. Ich hörte mit aller Energie und möglichst ununterbrochen auf den inneren Ton, um endlich den inneren Status dauerhaft erleben zu können. Ich schaffte das aber nicht, denn es ist nahezu unmöglich, das Bewusstsein ununterbrochen aufrecht zu erhalten, wenn man innen noch keinen festen Stand hat. Das hat aber nicht zur Aufgabe geführt, sondern nur dazu, dass ich es noch fanatischer versuchte. Am Schluss war ich soweit, dass ich nichts anderes mehr wollte, als nur noch DAS!
Ein paar Tage später kam dann der Durchbruch und zwar so massiv und durchschlagend, dass ich danach das Bewusstsein ununterbrochen halten konnte und zwar vollkommen mühelos, ohne irgend etwas dafür zu tun. Das hat sich seitdem auch nicht geändert – nur ist das innere Erleben weitaus reichhaltiger geworden, weil inzwischen mehrere innere Zentren aktiv sind und ununterbrochen als individueller Teil der Bewusstheit erlebt werden.
Selbstverständlich kann ich meinen unbedingten Willen, durchzubrechen, nicht als Ursache dafür aufführen, dass sich die innere Tür geöffnet hat. Sie kann sich bei jedem Menschen, jederzeit öffnen – aber dazu müssen alle benötigten Elemente an den richtigen Platz gefallen sein. Manchmal ist ein Mensch schon Jahrzehnte bereit dazu – aber es fehlt vielleicht noch der richtige Zeitpunkt oder ein bestimmter Mensch als Auslöser. Aber wenn dann alle Elemente beisammen sind – dann öffnet sich die Tür ruckartig. In einer Sekunde ist sie noch zu – und in der nächsten steht sie weit offen.
Dieses Ereignis wird gemeinhin „Erleuchtung“ genannt, ist aber tatsächlich nur eine Option zum Antritt der inneren Reise. Dazu muss man durch die offene Tür eintreten und die Verantwortung für die eigene, innere Entwicklung übernehmen und tatkräftig dabei mitwirken. Das Innere wird nur dann aktiv, wenn der Mensch kooperiert. Tut er es nicht, absichtlich oder aus Unwissenheit, dann schließt sich die innere Tür nach einiger Zeit wieder.
In meinen Augen ist die Erscheinungs-Welt nichts anderes, als der notwendige Hintergrund für die innere Entwicklung. Gäbe es keine innere Entwicklung – wozu sollte es dann eine Erscheinungs-Welt geben? Sie wäre einfach nur eine sinnlose Energieverschwendung. Aber durch das Potential der inneren Entwicklung wird sie zu einem äußerst wertvollen Schatz.
Allerdings wird die Erscheinungs-Welt mit zunehmender innerer Erfahrung immer unwichtiger. Natürlich muss man seinen Lebensunterhalt bestreiten und irgendwo wohnen – aber was ansonsten mit der Welt los ist, juckt den inneren Reisenden nicht mehr besonders. Das mag sich wieder ändern, wenn die innere Reise sehr weit fortgeschritten ist – aber damit habe ich noch keine Erfahrung. Zur Zeit lebe ich mehr innen, als außen…