Das Bewusstsein ist so etwas wie ein nicht wahrnehmbarer Container, in dem all das erscheint, was wahrgenommen wird. Du kannst Dich selbst nicht wahrnehmen, weil Du das Wahrnehmende bist und selbst keinerlei wahrnehmbare Eigenschaften hast. Aber Du weißt, dass Du da bist – und weil Du Dich selbst nicht wahrnehmen kannst, nimmst Du das nächstliegende feste Objekt – das ist Dein Körper – und identifizierst Dich mit ihm. Du bist aber das Bewusstsein – und nicht der Körper – und wenn keine inneren Wahrnehmungen (zB Gedanken) da sind, wenn Stille im Kopf ist, dann fühlst Du dich ganz deutlich, als Präsenz, als Anwesenheit. In dieser Präsenz erscheint alles, ist eine Weile da und verschwindet dann wieder – wie zum Beispiel ein vorbei fliegender Vogel.
All das, was wahrgenommen wird, bist Du nicht. Du bist derjenige, der wahrnimmt, der Zeuge dessen, was in Dir erscheint. Wenn Du einfach dabei bleibst, als das erkennende Bewusstsein, ohne etwas zu tun, einfach da bist und schaust, was sich in Dir zeigt, dann bist Du vollkommen in Deiner eigenen Essenz.
Dieses absolute Bewusstsein, ist schon immer rein und klar und mit nichts beschmutzt, denn, da es nicht-materiell ist, gibt es nichts, was es beschmutzen, anfassen oder gar töten könnte. Allerdings ist dieses reine und klare Bewusstsein mit erheblichen Mengen mentaler Objekte zugeschüttet – mit Gedanken, Annahmen, Vorurteilen, Vorstellungen, Ideen, Ablehnungen, Gefühlen und Sinneswahrnehmungen. Diese mentalen Objekte in Dir, verhindern, dass Du Dich als reines und leeres Bewusstsein erlebst, weil Du andauernd nur auf die Objekte schaust und nicht auf Dich selbst. Aber es ist da und Du bist dieses reine Bewusstsein, Du kannst ihm niemals näher kommen oder davor wegrennen: du bist das reine, absolute Bewusstsein.
Patanjali sagt folgendes zum Verwechseln des Bewusstseins (des Sehers), mit dem Körper und dem Ich:
„Nichtwissen ist die Identifikation des Sehers mit den Instrumenten des Sehens.“ Statt Zeuge des Körpers zu sein, identifizieren wir uns mit ihm. Statt Zeuge des Ichs zu sein, identifizieren wir uns mit ihm. Statt Zeuge des Leidens zu sein, identifizieren wir uns mit ihm. Und es ist klar, dass man von demjenigen beherrscht wird, mit dem man sich identifiziert, dass man von demjenigen gequält wird, was man nicht transzendiert hat. So ketten wir uns an den Marterpfahl des Elends, und so liefern wir uns der willkürlichen Tyrannei von Raum und Zeit aus. [Aus „Einfach Das“ von Ken Wilber]
Wie kommst Du aus diesem Dilemma heraus? Wie kannst Du erfahren, was Du wirklich bist? Wenn Du das wirklich herausfinden willst, ist es sogar relativ einfach. Denke immer daran: Du bist der Container, in dem die mentalen Objekte enthalten sind. Du bist aber nicht die Umrandung dieses Containers, wie die Wandung eines Eimers. Du bist der Raum in dem Container. Der Container hat in Wirklichkeit gar keine Umrandung, er hat überhaupt keine Begrenzung, sondern besteht nur aus Raum, wie der Himmel oder das Weltall. Aber das ist schwer vorstellbar, bleibe daher vorerst bei dem Bild eines Containers mit Wandung und Raum.
Du bist also ein geistiger Container und der Raum darin, in dem eine große Menge von mentalem Müll herumschwebt. Aber auch, wenn sehr viele mentale Objekte in Dir sind, es muss immer ein klein wenig Raum zwischen jedem Objekt sein. So, wie immer Wasser um einen Fisch herum ist, auch dann, wenn er in einem sehr dichten Schwarm schwimmt. Und mit Hilfe dieser Zwischenräume, kannst Du Dich erfahren.
Zwischenraum ist zum Beispiel zwischen zwei Blättern am Baum; oder um ein Objekt herum; auch zwischen zwei Gedanken oder Gefühlen ist ein Raum; oder zwischen zwei Tönen einer Melodie. Raum kann man auch erfahren, zwischen zwei Zuständen, wie vor und nach dem Einatmen und Ausatmen – und nach dem Nießen und Gähnen. Immer dann, wenn ein Zustand oder ein Objekt endet und bevor ein anderer beginnt, kannst Du Dich als die verbindende Lücke erfahren. Du kannst diesen Raum erfahren, wenn Du versuchst, so eine Lücke festzuhalten und auszudehnen. Wenn Du das schaffst, erlebst Du plötzlich eine tiefe Stille. Dies ist die Stille des leeren Bewusstseins, das Du bist!
Der innere Raum, der voll von tiefer Stille und Frieden ist, dieser Raum ist das reine, absolute Bewusstsein. Es ist immer da, es kann nicht hergestellt oder erzeugt werden, es kann nicht herbei-meditiert werden werden, es kann nicht gesucht und gefunden werden und es kann auch nicht verändert werden. Du bist immer dieses absolut reine Bewusstsein gewesen und wirst es immer sein.
Es gibt kein anderes Bewusstsein als dieses – das musst Du Dir merken!
Aber das hast Du nicht gewusst und Du weißt es auch jetzt nicht, denn darüber zu lesen reicht nicht! Du musst es erst schmecken und möglicherweise musst Du es erst viele Male schmecken, bis alles in Dir weiß, dass Du dieses Bewusstsein bist! Wenn Du dieses Bewusstsein erleben willst, wenn Du es immer bewusst sein willst, dann musst Du in die Stille gehen, in den Frieden des inneren Raumes, jenseits der Gedankenwolken. Das ist nicht schwierig – Du musst es nur wollen und tun.
Übe! Und bleibe in der Stille, solange, wie möglich! Am Anfang wirst Du es vielleicht nur in einer ruhigen Umgebung schaffen. Aber mit fortschreitender Übung wird es immer einfacher werden und irgendwann kannst Du es es während der gesamten Wachphase praktizieren. Vermeide es an irgend etwas zu denken! Insbesondere lasse Dich nicht dazu hinreißen, Objekte oder Ereignisse zu verurteilen, abzulehnen oder anzunehmen – schaue einfach in den stillen Raum. Dann wird irgendwann ein Moment kommen, in dem Du plötzlich bemerkst, dass Du keine Mühe mehr aufwenden musst, dass Du mühelos im inneren Raum sein kannst, ohne heraus zu fallen. Wenn das geschieht, dann ist es möglich, gleichzeitig in der Stille zu sein und zu denken und Gedanken und Gefühle automatisch aufzulösen, indem Du sie entspannt anschaust oder entspannt in den Raum schaust. Bei mir ist es so, dass sich die Gedanken von selbst auflösen, in dem Moment, in dem sie aufsteigen – daher erscheint es so, als ob gar keine mehr da sind. Das gilt nicht für jene Gedanken, die „ich selbst“ erzeuge.
Wenn sich der Zustand der Stille und des Friedens, in dem keine oder nur sehr wenige Gedanken auftreten, stabilisiert hat, dann bleibe weiterhin dauerhaft darin und halte Dich innerlich so ruhig wie möglich und gleichzeitig hellwach und aufmerksam. Denke also weiterhin möglichst an gar nichts und urteile nicht! Der Zustand wird sich dann immer weiter festigen, so dass er zu Deiner Natur wird. Am Ende wird es nötig sein, Gedanken bewusst zu machen, weil das Bewusstsein vollkommen still geworden ist.
Mache nicht den Fehler, nach einer Erleuchtungserfahrung zu suchen, denn das ist meist nur ein Blitz oder irgendwelche inneren Erfahrungen im Bewusstsein. Dabei kann man zum Beispiel erleben, wie sich der Körper und das Umfeld in Nichts auflöst und nur noch der Erfahrende da ist. Aber das sind nur Erfahrungen im Bewusstsein – in dem Bewusstsein, das Du bist! Suche also nicht nach Erleuchtung oder Erfahrungen und ruhe einfach in Dir, deiner eigenen Essenz, dem leuchtenden und stillen Bewusstsein!
Eigenschaften des reinen Bewusstseins:
- Es ist nichts bedeutet: es ist nicht-materiell und nicht nachweisbar, nur subjektiv erfahrbar – es ist das absolute Subjekt. Es durchzieht alles und enthält alles.
- Es ist leer bedeutet: es ist leer von Sinn- und Objekthaftigkeit. Es ist auch möglich, das Bewusstsein subjektiv als Leere zu erfahren und dass es auf nichts ruht – das kann ganz klar wahrgenommen werden!
- Es ist voll bedeutet: Es ist die Fülle an sich. Das absolute Bewusstsein zu realisieren geht einher, mit dem Erwerb der diesem Bewusstsein zugehörigen Eigenschaften, wie zum Beispiel absolutes, intuitives WISSEN. Das zeigt sich aber zu gegebener Zeit alles von selbst. Suche nicht danach – dann kommt es von selbst zu Dir!
- Das Bewusstsein ist wie der Raum, in ihm entsteht alles und gleichzeitig ist alles nur im Bewusstsein vorhanden.
- Alles steigt spontan dort auf und vergeht wieder, ohne dass es jemanden gibt, der das tut. Die (Lebens-) Kraft des Bewusstseins erzeugt alle Objekte, setzt sie in Szene, steuert sie und vernichtet sie am Ende wieder. Mit Objekten sind hier auch die sichtbaren Körper der Wesen gemeint!
- Alle Objekte sind leer von Sinn- und Objekthaftigkeit. Es handelt sich um Bewegungen (Wellen) im Bewusstsein, die im Bewusstsein als sichtbare Objekte gespiegelt werden.