Heute Nacht kam es zum zweiten Mal zur bewussten Erfahrung des Selbst. Beim ersten Mal, am 06.03.2015, wusste ich nicht mit Sicherheit, ob es sich dabei um das Selbst handelt. Zwischenzeitlich habe ich sehr viel darüber gelesen und kann die Erfahrung nun richtig einschätzen.
Voraussetzungen
- Das persönliche Bewusstsein muss sehr ruhig, transparent und klar sein.
- Man muss sich der Tatsache „schockartig“ vollkommen bewusst geworden sein, dass die Selbsterkenntnis einem geschieht, dass man keine Möglichkeit hat, das Selbst aus eigener Kraft zu erreichen – weil man ohnehin immer das Selbst ist – sich dieses aber absichtlich verbirgt. Daher muss das Selbst-Ich das Ego-Ich anziehen.
- Man muss sehr aufmerksam sein und ein gutes Fühlvermögen haben, um subtile Veränderungen im Bewusstsein zu bemerken.
- Bei mir traten in den letzten Tagen verstärkt Vibrationen im Körper und im Bewusstsein auf. Das steigerte sich mehrmals zum starken Pochen in verschiedenen Körperteilen. Ob das eine notwendige Voraussetzung ist, kann ich zu diesem Zeitpunkt nicht sagen.
Die Erfahrung
Es war heute Nacht um etwa ein Uhr, als ich spontan aufwachte und die Kirchturmuhr schlagen hörte. Das Ego-Ich war sehr ruhig und still. Plötzlich trat eine subtile Bewegung im Bewusstsein nach „hinten-oben“ auf, was mit einer Weitung einherging. Danach war die klare Wahrnehmung da, dass sich das Ego-Ich und der Körper als Objekte im Bewusstsein befanden. Die Referenz-Wahrnehmung war das Atemgeräusch meiner Frau, das sich genauso anfühlte, wie das Atemgeräusch meines Körpers und an der „gleichen Stelle“ im Bewusstsein war, wie das Körpergefühl meines Körpers und das Ego-Ich.
Das Gefühl identisch mit dem Ego-Ich und dem Körper zu sein, hatte aufgehört. Dafür war das direkte, klare Wissen da: Ich bin das Selbst. Die eigentliche Erfahrung war von keinerlei Gefühlen begleitet gewesen – außer einer tiefen Dankbarkeit, die vom Ego-Ich ausging. Das eigentliche Selbst-Ich war von dieser Erfahrung vollkommen unbeeindruckt – denn es nimmt ohnehin immer alles auf diese losgelöste Weise wahr.
Das Ganze war eine Art von „geistigem Schwebezustand“ und ziemlich „kippelig“, wie auf einer scharfen Messerschneide. Der Denker war deutlich abgegrenzt im Bewusstsein ortbar und auch die Gedanken und Gefühle. Interessanterweise dachte der Denker sogar hin und wieder – aber die Gedanken wurden sofort automatisch abgeschnitten – ohne, dass jemand da war, der das tat, es geschah einfach.
Sobald aber ein etwas „interessanterer“ Gedanke hoch kam, wurde bemerkt, dass sich im Bewusstseinsraum eine Art „Knoten“ oder „Verdichtung“ bildete, die bewirkte, dass eine Bewegung hin zum Denker statt fand. Das geschah mehrmals, wobei der Denker direkt in den Fokus trat, was als eine starke Verengung des Bewusstseinsraumes gefühlt wurde. Nach Beendigung des Gedankens trat dann wieder die subtile Bewegung nach hinten-oben auf und der Bewusstseinsraum weitete sich fühlbar. In Momenten, wo keine geistige Aktivität im Bewusstsein zu verorten war, weitete es sich immer mehr und dabei war ein starkes Gefühl der „Selbstwahrnehmung“ spürbar, das den „Anker“ in diesem Bewusstsein darstellt. Das Selbst-Bewusstsein hält sich an sich selbst fest.
Die Verengung und Weitung des Bewusstseinsraumes kann man sich vorstellen, wie einen Trichter. Vorne, an der engsten Stelle, ist das Bewusstsein direkt in seine Inhalte verstrickt. Etwa in der Mitte des Trichters liegt die Zone, wo die Gedanken zur Ruhe gekommen sind und dadurch schon Stille und eine gewisse Räumlichkeit fühlbar wird. Hinten, am größten Durchmesser des Trichters, beginnt die grenzenlose Ausdehnung des Bewusstseins, die direkt erfahrbar war. Ab hier kann man von „offener Weite“ sprechen.
Es gibt da aber noch einen anderen Bereich „dahinter“, das war als „schwarzes Gefühl“ deutlich spürbar. Das ist der Bereich, in dem die Objektwahrnehmung aufhört. Man könnte von „Leere“ oder „Nichts“ sprechen. Ich sage lieber „Schwärze“, denn meiner Erfahrung nach ist dieser Bereich nicht „leer“ und auch nicht „nichts“. Da ist „etwas“ – aber es ist undifferenziert und daher nicht als Objekt wahrnehmbar. Das könnte die Eintrittstelle des „Strahls“ sein, der das lokalisierte Selbst-Bewusstsein projiziert. Aber darüber kann ich erst sprechen, wenn ausreichend Erfahrung vorliegt. Bislang weiß ich nur, dass es vollkommen schwarz ist und keinen identifizierbaren Inhalt hat.
Die Selbsterkenntnis geht vom Projektor aus
Weil das sehr wichtig ist, möchte ich nochmal darauf eingehen: Ich bin bislang unterbewusst davon ausgegangen, dass „ich“ die Selbsterkenntnis betreibe – und das, obwohl das ganz klare Wissen und auch die Erfahrung da war, dass das persönliche Bewusstsein ein projiziertes „Etwas“ ist und damit etwas Bedingtes. Aber der unterbewusste Glaube, der Handelnde zu sein, war wohl trotzdem noch sehr stark.
Gestern Abend las ich in einem Buch eine Passage, wo es darum ging, dass das Selbst-Ich alle Vorgänge der Selbsterkenntnis steuert. Das wurde sehr ausführlich dargelegt und urplötzlich wurde mir schockartig klar, dass „ich“ absolut nichts tun kann, dass „ich“ nur ein Objekt bin, ein Produkt. Es war ganz klar das Gefühl, eines Schocks. Ich weiß nicht, ob das immer so sein muss – aber ich weiß von zwei Menschen, die beide massive Erleuchtungserfahrungen hatten, nachdem sie sich all ihrer Kraft beraubt und „am Ende“ fühlten. Daraus schließe ich, dass die Einbildung, eine handlungsfähige Person zu sein, erst total weg fallen muss, bevor es zu so einer Erfahrung kommen kann.
Die komplette Projektions-Kette sieht aus wie folgt: Quelle → [Selbst-Ich] → [Ego-Ich, Verstand] → [Körper, Welt]. Mit Ausnahme der Quelle ist jedes dieser Entitäten im Bewusstseinsraum der links davon stehenden Entität (Projektor) als Objekt enthalten. Die Quelle ist reines Bewusstsein/Gewahrsein. In ihr befinden sich gedankliche „Matritzen“, geistige Konstrukte, die mit Bewusstsein durchtränkt und in den Bewusstseinsraum der Quelle projiziert werden.
Stellen wir uns vor, dass in der Quelle die Idee eines Menschen namens „Dieter“ vorliegt. Die Quelle nimmt nun diese Idee auf und tränkt sie mit Bewusstsein – sie ruft diese gedankliche „Idee“ in ihrem eigenen Bewusstsein „ins Leben“. Dabei wird zuerst das Selbst-Ich, das für den Menschen „Dieter“ zuständig ist (Controller), als Strahl projiziert. Dieses Selbst-Ich projiziert nun beim Aufwachen, das persönliche Bewusstsein/Ego-Ich. Solange dieses leer ist, kann man von direkter Identität mit dem Selbst-Ich sprechen.
Doch nachdem das persönliche Bewusstsein erzeugt wurde, beginnt es ebenfalls, Objekte (Körper, Welt) zu projizieren und sich damit zu identifizieren und vergisst dabei, dass es nur eine Projektion des Selbst-Ich ist. Beim Einschlafen wird die Projektion des Ego-Ich abgeschaltet, so dass lediglich das Selbst-Ich übrig bleibt, das nun mangels anderer Objekte nur noch die Gewissheit seiner eigene Existenz in Form von „Selbstwahrnehmung“ erfährt.
Die Kenntnis, dass in dem Bett der schlafende Körper des Menschen „Dieter“ liegt, wird an alle Subjekte übertragen, die in das Zimmer hinein schauen. Das funktioniert genauso, wie wenn man an einen Ort kommt, an dem man vorher niemals war. Die Kenntnis aller dort befindlichen Objekte muss ebenfalls in die diesen Ort erfahrenden Subjekte projiziert werden – ansonsten würden sie nichts wahrnehmen können.
Das kann man sich vorstellen, wie wenn ein Computerprogramm in einem Dateisystem navigiert. Wenn ein neuer Ordner aufgefunden wird und das Programm wissen will, welche Dateien sich darin befinden, dann muss es eine Abfrage an das Betriebssystem absetzen. Wenn es sich dabei um Unix oder Linux handelt, ruft es dazu zB. den Befehl „ls“ oder „ls -al“ auf. Die Antwort beinhaltet dann, je nach Komplexität des Befehls, entweder nur die Namen der Dateien oder auch die Größe und die Art der Datei: zB Text, Bild, Datenbank.
Auf diese Weise werden alle benötigten Informationen in die Subjekte hinein projiziert. Die Sinnesorgane dieser subjektiven Bewusstseins-Einheiten sind so gestaltet, dass für sie die Illusion entsteht, ein festes Objekt zu sein, das in einer Umwelt agiert. Und solange diese Illusion von der projizierenden Einheit nicht aufgehoben wird, muss das projizierte Subjekt diese Illusion als gegeben hinnehmen, selbst dann, wenn es bereits Informationen über den tatsächlichen Sachverhalt hat. Diese Informationen dienen dann dazu, zu verhindern, dass das Subjekt beim Aufdecken der Wahrheit (Selbst-Erfahrung) aus Unkenntnis in eine Schockstarre verfällt und nicht mitbekommt, was geschieht.
Den Prozess der schrittweisen Aufhebung dieser Illusion nennt man Selbsterkenntnis und er geht immer vom Projektor aus. Das projizierte Subjekt ist völlig unfähig in diesem Prozess willentlich zu handeln. Sämtliche Aktivitäten – auch der Wille zur Selbsterkenntnis – wird in dem Subjekt vom Projektor hervorgerufen. Im Endzustand geht das projizierte Subjekt vollkommen im Projektor auf – das ist dann das Ende aller Illusionen für dieses spezielle Subjekt.
Da die Selbsterkenntnis, wie dargelegt, ausschließlich vom Projektor ausgeht, wie auch alle anderen Handlungen des projizierten Subjektes, ist es völliger Unsinn, davon zu sprechen, dass irgendwer zu dumm oder zu faul wäre für Selbsterkenntnis oder auch nur für „gesellschaftliches Aufwachen“. Dem Einen Subjekt geschieht es und dem Anderen nicht – und niemand weiß, warum das so ist. Auch Stockungen oder Rückschläge in Aufwachprozessen gehen immer vom Projektor aus.
Es wäre jetzt aber wiederum Unsinn, zu sagen, dass man nichts mehr schreibt oder keine Videos mehr macht – denn auch diese Aktivitäten gehen selbstverständlich vom Projektor aus. Der scheinbare Täter, der ja in Wirklichkeit nur ein vom Projektor benutztes Werkzeug ist, sollte nur nicht davon ausgehen, dass er es ist, der das alles tut und nicht hoffen, dass die Taten irgend etwas bewirken. Verfährt er in dieser Art, im steten Wissen, ein Werkzeug zu sein, kann er tun, was immer er auch tut, ohne sich in diese Taten innerlich zu verstricken.
In dem Moment, wo aber die Illusion erneut aufblüht, der Planende und Handelnde zu sein, ist er sich selbst schon wieder in die Falle gegangen. Das kann immer wieder passieren – solange das Ego aufsteigt – auch nach mehreren Selbst-Erfahrungen kann das noch passieren. Hier hilft nur das direkte Wissen weiter, was einer ist und dauerhaftes, innerliches Stillsein. Wer still ist und die Objekte der Wahrnehmung sein lassen kann, der verfällt nicht dieser Illusion – solange er still ist.
Nachtrag: Am 06.03.2015 erlebte ich diese Erfahrung, laut meinen Aufzeichnungen, wie folgt:
In der Nacht zum 06.03.2015 erreichte ich mehrmals das reine Gewahrsein und erlebte in voller Klarheit, dass der Körper und alle anderen Wahrnehmungen, Gefühle und Gedanken in mir waren. Wenn ich mich recht erinnere, wirkte alles sehr losgelöst: da war nur der Raum und in dem Raum erschienen Objekte und vergingen wieder. Dabei fiel auf, dass die Augen sich vor jedem Eintritt sehr entspannten und leicht nach links unten schauten. Der eigentliche Zustand ist nichts Besonderes: man sieht einfach alles in sich und nichts außerhalb. Der Zugang ist allerdings sehr subtil. Im einen Moment ist der Körper das Zentrum dann plötzlich scheint sich der Bewusstseinsraum erst nach hinten und dann in alle Richtungen sanft zu erweitern und es kommen mehr Wahrnehmungen dazu, zB ein Pulsieren und Vibrieren oder eine Art Lichtpunkte – und dann ist alles in mir. Das war völlig unspektakulär und fühlte sich normal und vertraut an.