Ich habe erst eine Weile rein gefühlt, ob ich das hier überhaupt schreiben soll, denn ich will niemanden verletzen oder beleidigen. Aber es ist falsch, einen Denkfehler nicht zu korrigieren, wenn man ihn sieht. Das gilt auch dann, wenn es kein eigener ist.
Vorab einige Fragen:
Was ist es, das einen Menschen atmen und sein Herz schlagen lässt?
Was ist es, das dafür sorgt, dass ein Mensch Selbsterkenntnis betreibt?
Was ist es, das ihm hilft, wenn er nicht mehr weiter kommt?
Was ist es, das ihm Knüppel zwischen die Beine wirft, wenn er fehl geht?
Was ist es, das ihn im Rahmen der Selbsterkenntnis dazu bringt, bestimmte Übungen zu machen, zum Beispiel zu „meditieren“ oder „Gedanken zu kontrollieren“?
Ist das der Verstand oder etwas anderes?
Und wenn es etwas anderes ist, ist es dann nicht logisch und nachvollziehbar, dass diese Instanz alles benutzt, was in und um einen Menschen existiert, um diesen Menschen zu steuern – auch den Verstand? Es ist nicht der Verstand, der das von sich aus tut – es ist die Lebenskraft, die Funktionen des Verstandes benutzt, um den Verstand zu beruhigen. Im Prinzip kann man sich das vorstellen, wie einen Programmierer (=Lebenskraft), der ein fehlerhaftes Programm auf einem Computer (=Verstand), das zB zuviel Output produziert, mittels eines anderen Programmes (=Editor) repariert. Anschließend funktioniert das System besser als vorher.
So kommt es, dass der Verstand dazu benutzt wird, den Verstand zu beruhigen. Was dann dazu führt, dass die Jahrzehntelang verschüttete Stille offen sichtbar wird und es so dem Bewusstsein, das sich bis dahin mit dem Körper verwechselte, ermöglicht, zu bemerken, was es wirklich ist. Die alleinige Beruhigung der Gedanken durch den Verstand kann jedoch niemals zur Erkenntnis führen – das habe ich jahrelang erlebt. Da muss noch etwas hinzukommen.
Vorher versuchte ich Jahrzehntelang, die Gedanken zu beruhigen, weil ich sehr darunter litt, schaffte es aber nicht. Erst nachdem ich eine etwa zehnjährige Leidenszeit durchlaufen hatte, war offenbar soviel Energie abgetragen worden, dass die Zwangsgedanken, die sich um leidvolle Themen drehten, sich stark abgeschwächt hatten. Zu diesem Zeitpunkt zeigte sich mir eine Technik, die es mir ermöglichte, den Verstand zu beruhigen, so dass die zugrunde liegenden Schichten sichtbar wurden. Es ist möglich, den Verstand mittels des Verstandes zu beruhigen – das habe ich so erlebt. Wie das bei anderen Menschen ist, kann ich nicht sagen.
Wenn man vom zugrunde liegenden Bewusstsein her schaut, dann ist alles, was einen Menschen ausmacht – auch der Verstand und sein Inhalt, samt Ego und allen anderen Mechanismen nichts anderes als der Inhalt des Bewusstseins. Der Verstand hat kein Eigenleben und ist daher auch nicht aus sich selbst heraus handlungsfähig. Er ist ein Produkt der Lebenskraft und ohne diese würde er gar nicht existieren und funktionieren. Somit erübrigt sich die Frage, wer bei einem Menschen irgendetwas tut, kontrolliert oder steuert – das ist nie der Verstand.
Anfang März 2014 gab es ein Ereignis, das offenbar dazu führte, dass das Bewusstsein sich selbst erkannte. Beim Aufwachen erlebte ich mich eines Morgens als Bewusstseinsstrahl, der in den Körper eintritt. „Ich“ konnte dabei zusehen, wie sich zuerst das Körpergefühl stufenweise aufbaute und die Welt um mich herum entstand. Nachdem das vorbei war, spürte ich keinerlei Veränderung. Aber etwa einen Monat später fiel mir plötzlich auf, dass ich gar nicht mehr versuchte, die Gedanken zu beruhigen – dass da aber gar keine mehr waren – außer einigen unwichtigen Gedankenfetzchen, die vorüberzogen und wieder verschwanden. Und da erkannte ich, dass etwas geschehen sein musste, das ich aber nicht bewusst mitbekommen hatte. Das war der Beginn und seither hat sich einiges ereignet.
Man muss immer eine durchgehende Perspektive wahren, wenn man auf solche Ereignisse schaut. Alles, was in und um einen Menschen geschieht, passiert einfach. Auch der Verstand, sein Inhalt, Leiden, Freuden, Gefühle, Selbsterkenntnis, Meditation, Gedankenberuhigung, Erkenntnis und alles andere. All das passiert einfach. Selbst die Einbildung, dass der Verstand tatsächlich glaubt, er wäre es, der sich selbst beruhigt – was ja faktisch dem Münchhausentrick gleicht, sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf zu ziehen. Die Wahrheit liegt immer jenseits dieser Vorgänge.