Leerheit

Gerade eben erweiterte sich die innere Leere wieder einmal nach „außen„. Es fühlt sich jetzt so an, als wäre die gesamte Erscheinungswelt in mir. Aber das, was ICH BIN, ist dabei absolut unbekannt. Es ist nicht fassbar, nur als ICH BIN fühlbar. Es ist einfach das nicht zentrierte Gewahrsein ICH BIN und darin oder darauf erscheint alles. Mit anderen Worten: da ist kein Zeuge, nur ein Bezeugen, da ist keine Person, nur ein personaler Ausdruck, da ist keine Welt, nur ein „Walten„. Substantive sind alle falsch – nur Verben (Tätigkeitswörter) können annähernd beschreiben, was ist – weil alles prozesshaft ist.

Dieses ICH-BIN-Gefühl ist das einzig Reale – aber es scheint sich automatisch an auftauchende Erscheinungen anzuhängen. Zum Beispiel an den Körper und die personale Vorstellung. Dann sieht es so aus, als ob die einzig vorhandene Existenz – das ICH-BIN-Gefühl an sich – den abhängigen Erscheinungen Substanz gibt und es kommt zur dauerhaften Selbst-Identifizierung: „Das (Körper, Person) bin ich„.

Wenn das erst einmal geschehen ist, verliert man das unabhängige Gefühl „ICH BIN“ – weil es automatisch mit einer oder mehreren Erscheinungen assoziiert wird. Aber das ist nur ein Trugschluss, denn das ICH-BIN-Gefühl kann eindeutig getrennt gefühlt werden – weil es selbst-erkennend ist. Es ist die Grundlage aller Erscheinungen – das sich selbst als „ICH BIN“ erkennende Gewahrsein (leeres Hintergrund-Bewusstsein), das als Leere, Dunkelheit oder Nichts erscheint.

Noch etwas zum Ego – das Ego ist nicht nur die Vorstellung, ein unabhängiges Wesen zu sein. Wer nur einigermaßen verständig ist, kann das recht schnell begreifen. Aber das ist dann rein intellektuell und bewirkt gar nichts. Solche Leute bilden die Pseudo-Gurus der Neo-Advaita-Szene.

Solange einer noch irgendwelche unerlösten und nicht integrierten Anteile in sich hat, wird er immer wieder erleben, dass sie sich in den Vordergrund schieben und den inneren Frieden zerstören. Freiheit vom Ego ist auch und besonders die vollkommene Integration aller abgespaltenen Persönlichkeits-Anteile und das dauert Jahrzehnte. Das sind die sogenannten Vasanas, von denen Ramana Maharshi sprach.

Ich weiß nicht, wie es ist, wenn die Person komplett demontiert wird oder ob das überhaupt möglich ist. Aber irgendetwas muss da sein, um mit anderen Menschen kommunizieren zu können. Nur ist das eben keine Person in dem Sinne, dass sie unabhängig ist und einen eigenen Willen hat. „Die Person“ ist dann einfach nur die Gesamtheit der psychischen Möglichkeiten, die in diesem Wesen angelegt sind – und das Leben zieht jeweils die Register, die es zu ziehen wünscht. Das ist übrigens immer so, auch dann, wenn die Vorstellung da ist, dass die Person selbst agiert. Nur wird eben durch die Vorstellung, wie „ich“ sein sollte, alles Unerwünschte in das Verließ des Unbewusstsen gesperrt – von wo aus es dann seinen unerkannten Einfluss ausspielt.

Der Lackmustest für die gelungene Integration aller verbannten Anteile ist absoluter Gleichmut in jeglicher Situation. Solange einer unbewusst ausrastet, weil ihm irgendwer ans Schienbein pisst, weiß er mit Gewissheit, dass seine Arbeit noch nicht getan ist. Hier ist die Arbeit ganz gewiss noch nicht getan. Aber „Arbeit“ ist eigentlich ein falscher Begriff – es ist viel mehr ein totales Loslassen von allem, was sich zeigen will und dessen bedingungslose Annahme. Das bewirkt nach und nach die Vervollständigung durch die Hereinnahme aller abgespaltenen Anteile. Erst muss die Person vollständig gemacht werden, dann darf sie sterben. So zeigt sich mir das momentan.

Von dieser Gleichmut-Regel gibt es nur eine Ausnahme – wenn ein Meister seinen Schüler absichtlich destabilisiert, indem er ihn wechselweise anschreit oder anschweigt – so dass er genau immer das nicht tut, was der Schüler gerade erwartet. Aber das ist nur eine Show für den Schüler, um seinen Panzer aufzubrechen – der Meister ist dabei innerlich vollkommen bewusst und absolut unbewegt. Er tut das auch nicht selbst – es geschieht durch ihn und er schaut nur zu.

Hier ist kein Meister und es ist auch keinerlei Wille da, einer zu sein oder zu werden. In meinen Augen reicht es aus, die eigene Entwicklung aufzuschreiben, so dass andere sehen können, was da passiert. Das ist aber keineswegs „meisterhaft„, sondern eher stümperhaft und einfach das, was hier halt so passiert. Ich sehe mich nach wie vor als Schüler, der dem Leben lauscht. Das wird sich in den nächsten 30 Jahren wohl auch nicht ändern – schon alleine deswegen, um solche Allüren, wie „Meister sein zu wollen“ auszuhebeln. Im Gegenteil – ich sehe alle anderen und das ganze Leben als meinen Meister an, denn jeder kann immerzu und von allem lernen.

Aber auch die Pseudo-Gurus haben ihren Sinn – es gibt offenbar haufenweise Leute, die nicht wirklich an ihrem innersten Kern interessiert sind, sondern einfach nur ein wenig Frieden suchen. Die setzen sich dann zu Füßen solcher Gurus (besser: Therapeuten) und holen sich ihren Anteil an Frieden ab – der aber hauptsächlich aus dem Zusammensein mit dem Guru und den anderen Suchern besteht. Im Prinzip haben sie damit nur die größere „soziale Gesellschaft“ gegen eine kleinere „schein-spirituelle Gesellschaft“ ersetzt.

Jeder, der wirkliche innere Erfahrung hat, weiß aber, dass diese immer nur ALLEIN gemacht werden kann. Das liegt einfach daran, dass der Ursprung ALLEIN IST. Und daher kann eine Gemeinschaft niemals dahin führen – das ist lediglich eine raffinierte Ablenkung vor dem ALLEIN-SEIN – eine Verhinderung  desselben.