Ich und ICH

Nochmal zum Komplex des „Ichs„. Ich habe das starke Gefühl, dass es da sehr viele Missverständnisse gibt. Beinahe überall wird das „Ich“ als böser Dämon bezeichnet, grundsätzlich mit dem Ego verwechselt oder absichtlich gleich gesetzt – und generell zum Tode verurteilt. Wenn ich das richtig sehe, hat das damit zu tun, dass alle denken, dass es so etwas wie ein „Ich“ gar nicht gibt. Zum Beispiel gibt es beim Buddhismus eindeutig die Position, dass so etwas wie ein Selbst nicht existiert (No-Self).

Ich finde das höchst bemerkenswert, wenn ein buddhistischer Meister sagt, dass es ihn gar nicht gibt. Ja, was zum Teufel ist das denn, was das behauptet? Nichts? Natürlich ist es das dynamische Bewusstsein, das im statischen Hintergrund-Bewusstsein spielt, den Buddhisten erzeugt und ihn das sagen lässt. Der Buddhist an sich ist somit eine direkte Emanation des Bewusstseins. Daher kann man nicht sagen, dass es ihn nicht gibt – denn dann wäre er weder sichtbar, noch hörbar. Dabei ist bereits mit dem Ausspruch: „Ich bin nicht existent“ der nicht zu widerlegende Beweis der Existenz erbracht. Nur über die Art der Existenz ist damit nichts gesagt.

Dieses Bewusstsein ist keineswegs ein vollkommenes Nichts! Es ist leer, wenn darin keine Aktivität ist – aber es ist niemals gar nichts und kann es auch nicht sein. Aus gar nichts kann niemals etwas werden. Nur aus einem „philosophischen leeren Nichts„, das in Wirklichkeit das absolute Potential aller Möglichkeiten IST, kann jedes beliebige virtuelle Ding werden. Aber vielleicht meint der Buddhismus ja genau das, wenn er vom „Nichts“ spricht.

Tatsache ist, dass im Bewusstsein eindeutig ein inhärenter Sinn von „ICH BIN“ enthalten ist – einer eindeutigen Gewissheit der eigenen Existenz. Und unser menschliches Ich ist eine Art Spiegelbild davon. Genau darum können wir uns auch als Ich fühlen, wenn wir dummerweise auch davon ausgehen, dass dies ein abgetrenntes Ich sei, was natürlich vollkommen falsch ist.

Unser Ich ist eine Sub-Instanz des ICH des universellen Hintergrund-Bewusstseins (ICH BIN). DAS ist das Selbst, das einzige Selbst und jeder von uns ist eine Art individuelles Sub-Bewusstsein, das den Anschein erweckt, vom übergeordneten Bewusstsein, in dem es residiert, getrennt zu sein. Aber genauso wenig, wie ein Fisch vom Meer getrennt ist, in dem er schwimmt, bin ich vom BEWUSSTSEIN getrennt, in dem ich (Bewusstsein) schwimme.

Wer also sagt, dass das Ich weg muss, der meint (hoffentlich) damit, dass die Vorstellung eines getrennten Ich wegfallen muss, um die Einheit mit dem übergeordneten ICH zu erfahren. Dieses Ich-Gefühl ist einfach das umfassende Gefühl von Präsenz, Stille und Frieden: ICH BIN.

Das Ich ist das gespiegelte ICH daher lehne ich es ab, das Ich zu verurteilen, denn ohne das ICH gäbe es nichts – absolut gar nichts. Was wegfallen muss, ist also lediglich die unselige Vorstellung einer abgetrennten Existenz, eines abgetrennten Ich. Das kleine Ich verweist immer auf das große ICH – es ist ein temporärer Platzhalter aber niemals eigenständig oder getrennt. Somit kann es überhaupt nichts geben, was kein Ich wäre – selbst ein Stein fühlt „Ich“ – aber im Stein sind keinerlei Vorstellungen, was Ich ist oder nicht ist. Er ist einfach Ich, was auf ICH verweist.

ICH ist ein Ozean voller Ich-Blasen.
Wo ist da Trennung?