Zwangsdenker oder vom Denken Befreiter? – Update

Was einer für möglich hält, ist exakt das, was er selbst kann, plus/minus einige Prozent. Und wenn einer ständig im Verstand hängt und nur ab und zu Frieden findet – obwohl der Frieden ja immerzu anwesend ist, nur der Denker nicht – dann hält eben dieser Denker das für unmöglich und konstatiert: „Ich kenne weltweit keinen einzigen Menschen der ununterbrochen am Ursprung ist„.

Im Prinzip hat der Denker damit sogar Recht, denn „ununterbrochen“ ist praktisch nicht möglich, weil immer wieder einzelne Gedanken hochkommen. Die Frage ist aber, ob ihnen nachgegangen wird oder nicht, denn ein Gedanke, dem keine Aufmerksamkeit geschenkt wird, verschwindet umgehend wieder und hinterlässt den leeren, unkontaminierten Hintergrund. Maharaj sagte es so: „Manchmal kommen Wünsche hoch aber sie werden gesehen und nicht weiter verfolgt.

Die andere Frage ist, wie es möglich ist, 7,5 Milliarden Menschen zu kennen und zu wissen, in welchem Zustand sie jeweils sind. Gerade auch vor dem Hintergrund, dass es für einen chaotischen Denker völlig unmöglich ist, die Stille in einem anderen Menschen wahrzunehmen, wenn er sie nicht einmal in sich selbst finden kann.

Ich weiß das natürlich genauso wenig – halte es aber mittlerweile für möglich, dass es einige tausend Menschen gibt, die in einem befreiten Zustand leben. Denn schließlich ist das ja tatsächlich der natürliche Zustand und das Zwangs-Denken ist einfach nur ein sich Erheben einer bislang noch nicht weggefallenen, sehr schlechten Angewohnheit. Wer weiß, vielleicht fällt es ja noch weg, bei dem Einen oder Anderen… Ich wünsche das jedem Menschen, denn es gibt nichts erbärmlicheres, als von seinem Sklaven versklavt zu werden.

Schließlich führt solch ein Glaube, dass es heutzutage niemanden gibt, der „da drin“ ist, auch dazu, dass man sich sagt: „Wenn das so unmöglich ist, warum soll das dann für mich möglich sein?“ Und damit nimmt man sich jegliche Möglichkeit, sich tatsächlich in der Stille und im Frieden niederzulassen.

So eine Aussage kommt zu 100% aus dem Ego, denn es ist ja genau dieses Ego, das stirbt, wenn der Verstand schweigt. Das Ding ist verdammt schlau und weiß ganz genau, dass es ununterbrochen denken muss, um zu überleben. Also wird es alles versuchen, um seinen Träger glauben zu machen, dass es unmöglich ist, immerzu in Stille zu sein. Denn, wenn es diesen Gedanken tatsächlich zulässt, könnte das der Anfang seines Endes sein.

Was man auch nicht vergessen darf: Wer sagt denn, dass ein vom Zwangsdenken befreiter Mensch öffentlich auftreten muss? Und wer sagt umgekehrt, dass diejenigen „Gurus„, die öffentlich auftreten und „Schüler“ haben, tatsächlich vom Zwangsdenken befreit sind? Mit Verlaub – das kann nur einer feststellen, der in diesem Zustand ist – die anderen müssen glauben, was der „Guru“ von sich selbst sagt.

Was ist denn eigentlich der tatsächliche Unterschied, zwischen einem, der „ununterbrochen denkt“ und einem, der „ununterbrochen still ist„? Der Fokus! Der Fokus liegt beim Zwangsdenker immer auf dem Bewusstseins-Vordergrund – also auf den Objekten (Gedanke=Objekt). Beim Stillen liegt er immer auf dem Bewusstseins-Hintergrund (Stille, Frieden, Unbeweglichkeit).

Daher ist KEINE Aktion notwendig, um den jeweiligen Grund-Zustand aufrecht zu erhalten: Beim Zwangsdenker erheben sich die Gedanken automatisch und beim Stillen bleiben sie aus oder fallen automatisch in sich zusammen. So etwas kann man nicht machen, das muss einem geschehen. Der Modus schaltet einmalig um – und ab diesem Moment ist das Zwangsdenken tot.

Wie kann man das fördern? Sicherlich nicht, indem man ableugnet, dass andere in diesem Zustand sind – sondern dadurch, dass man es für möglich hält und das eigene Denken beobachtet – und es bewusst registriert, wenn man zufällig in die Stille hinein fällt und diesen Zustand erkundet.

Immerhin ist es bereits ein Fortschritt, wenn einer erkennt, dass es möglich ist, dass das Zwangsdenken ab und zu stoppt. Bis vor Kurzem sagte derjenige, dass das vollkommen unmöglich sei und jeder, der so etwas behauptet, sei ein Lügner oder betrüge sich selbst. Man müsste ja nur in sich hinein schauen, um festzustellen, dass das Denken immerzu zwanghaft und chaotisch ist. Wie oben schon gesagt: Wer es nicht kennt, glaubt es auch nicht. Das bedeutet aber nicht, dass es unmöglich ist – das behauptet nur das Ego.

Nachtrag: Hier noch eine Beschreibung von Ramana Maharshi aus dem Buch: „Sei was Du bist„:

Anfänger der Selbstergründung wurden von Ramana angewiesen, ihre Aufmerksamkeit auf das innere Gefühl von „Ich“ zu richten und so lange wie möglich dabei zu verweilen. Wenn ihre Aufmerksamkeit durch andere Gedanken abgelenkt würde, sollten sie immer wieder auf den Ichgedanken zurückkommen, sobald sie merkten, dass ihre Aufmerksamkeit umherwandere. Er hat verschiedene Hilfen für diesen Prozess vorgeschlagen – sie sollten sich fragen „Wer bin ich?“ oder „Woher stammt dieses Ich?“ -, aber das letzte Ziel war unentwegt dieses „Ich“ gewahr zu sein, das glaubt, für alle Aktivitäten des Körpers und Denkens verantwortlich zu sein.

Auf den Anfangsstufen ist die Übung, die Aufmerksamkeit auf das Gefühl “Ich“ zu richten, eine geistige Betätigung, die die Form eines Gedankens oder einer Wahrnehmung annimmt. Bei weiterer Entwicklung wird der Gedanke „Ich“ durch ein subjektiv erfahrenes Gefühl „Ich“ abgelöst, und wenn dieses Gefühl aufhört, sich mit Gedanken und Objekten zu identifizieren, verschwindet es völlig. Was bleibt, ist eine Erfahrung des Seins, in der die Empfindung der Individualität vorübergehend ausgelöscht ist. Diese Erfahrung mag zuerst sporadisch auftreten, aber bei wiederholter Übung wird sie immer leichter erreicht und festgehalten.

Wenn die Selbstergründung diese Stufe erreicht, entsteht ein anstrengungsloses Gewahrsein des Seins, in dem individuelle Bemühung nicht mehr möglich ist, da das Ego, das die Anstrengungen macht, vorübergehend verschwunden ist. Das ist noch keine Selbstverwirklichung, da der Ichgedanke sich immer wieder einstellt, aber die höchste Stufe der Übung. Wiederholte Erfahrungen dieses Zustands des Seins zerstören die Vasanas (Denkneigungen), die den Ichgedanken entstehen lassen, und wenn sie genügend geschwächt sind, zerstören die Kräfte des Selbst ihre Überbleibsel so gründlich, dass der Ichgedanke sich nie wieder erhebt. Dies ist der endgültige, unauslöschliche Zustand der Selbstverwirklichung.
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Genau dieses „anstrengungslose Gewahrsein des Seins, in dem individuelle Bemühung nicht mehr möglich ist, da das Ego, das die Anstrengungen macht, vorübergehend verschwunden ist führte zu meiner derzeitigen Antriebslosigkeit, die jetzt schon einige Jahre anhält. Es sind schlicht und einfach keine Impulse da, etwas zu tun, was nicht jetzt real zu tun ist. Das Ergebnis ist, dass ich oft nichts tue. Und wenn dann wirklich einmal ein Gedanke aufkommt, etwas zu tun, was nicht jetzt zu tun ist – dann fehlt die Energie – es ist dann, als ob etwas den Stecker herausgezogen hat.

Die Perioden, in denen kein Ego oder kein Ich-Gedanke da ist, werden automatisch immer länger. Oft sind es Stunden, an denen kein einziger Gedanke hochkommt. Das ist mittlerweile oft sogar beim Arbeiten der Fall. Das ist natürlich nicht immer so – manchmal kommen Gedanken alle Stunde oder alle 30 Minuten. Aber die Tendenz ist definitiv, dass die Pausen ständig größer werden – und zwar gänzlich ohne jede Übung. In Bezug auf Selbsterkenntnis wird absolut nichts mehr bewusst gemacht. Jegliche Entwicklung entsteht von selbst.