Weisheit jenseits der Welt

Weisheit, wie sie die Eule dem Kaninchen verkündete;
Ein Tritt für den „begriffsstutzigen Geist„;
Daher langsam lesen und nicht denken!

1 – Zu Beginn

„Es wird dunkel,“ sagte die Eule und ließ sich auf einem Ast über dem Kaninchen nieder. „Ist das ein guter Platz, um auf die Morgendämmerung zu warten?“

„Das ist jetzt die Morgendämmerung,“ antwortete das Kaninchen, „die Sonne geht auf. Du hast das verwechselt.“

„Vielleicht sind solche Dinge – in der Tat alle ‚Dinge‘ – relativ. Jedenfalls bin ich die Morgendämmerung.“
„Wenn du das so siehst,“ gab das Kaninchen höflich zurück. „Ja, der Platz ist ausgezeichnet, friedlich, und das Gras ist köstlich.“

„Gras interessiert mich nicht, relativ gesehen“ bemerkte die Eule, „ich suche nach Frieden, um zu SEIN. Müssen wir mit irgendwelchen Phänomenen rechnen, die auf der Jagd sind?“
„Kaum,“ antwortete das Kaninchen, „nur diese seltsamen Zweibeiner. Doch ich verstecke mich dann in meinem Bau, und Eulen essen sie nicht.“

„Sehr gut, ich werde mich hier ausruhen,“ sagte die Eule, „Kaninchen mag ich sowieso.“
„Ich fühle mich geehrt,“ antwortete das Kaninchen, „sei willkommen!“

„Zart und saftig,“ fügte die Eule hinzu, „auch noch sympathisch, so vor dem Essen.“
„Genau,“ stimmte das Kaninchen zu, „unglücklicherweise sind andere auch dieser Ansicht. Deshalb leben wir unterhalb unserer Nahrung, du hingegen über der Deinen.“

„Auch noch intelligent, dieses Kaninchen!“ meinte die Eule freundlich. „Ich bleibe, und gegessen habe ich sowieso schon.“
„Freut mich zu hören,“ blieb das Kaninchen höflich, „ich hoffe, es hat dir geschmeckt.“

„Eine Ratte, ziemlich zäh,“ murmelte die Eule, „morgen mache ich es besser. Dir eine Gute Nacht, und friss nicht zu viel von dem ekligen Gras, das macht krank.“

„Guten Morgen,“ antwortete das Kaninchen, „schlaf gut! Ich werde dich warnen, wenn irgend etwas auftaucht, das auf der Jagd ist.“

„Danke, nett von dir,“ antwortete die Eule, schloss ihre großen Augen und drehte ihren Kopf zur Seite, „ich glaube, du und ich werden Freunde.“

2 – Ich scheine

Während das Kaninchen einige Grashalme ausrupfte, schaute es hoch und sagte zur Eule, „Ich wundere mich schon lange, warum du deine Augen im Dunkeln öffnest und sie bei Licht geschlossen hältst!“

„Wenn ich scheine,“ antwortete die Eule, „gibt es keine Dunkelheit, denn Dunkelheit ist nur die Abwesenheit von Licht. Dann sehe ich dabei zu, wie du ständig das frisst, was die Erde hervorbringt. Und wenn ich aufhöre zu scheinen, tritt überhaupt nichts in Erscheinung.“

„Dann unterscheiden sich unsere Welten?“ warf das Kaninchen ein.

„Es gibt keine Welten,“ klapperte die Eule mit ihrem Schnabel, „abgesehen von dem, was erscheint, wenn ich scheine.

„Und was erscheint, wenn die Sonne scheint?“ fragte das Kaninchen.

„Ich bin die Sonne,“ stellte die Eule fest; „was du glaubst zu sehen, ist nur eine Reflexion Deines gespaltenen Bewusstsein.“

„Ist das wirklich so?“ antwortete das Kaninchen und rümpfte zweifelnd seine Nase. „Warum scheinen dann du und die Sonne nicht zur selben Zeit?“

„Ich bin ‚Zeit‘, fügte die Eule hinzu,“ und alle ‚Zeit‘ ist meine Zeit. Allerdings werde ich zu dieser ‚Zeit‘ langsam hungrig.

„Schon gut, schon gut,“ seufzte das Kaninchen und schlüpfte eilig in seinen Bau.

3 – Liebe

„Warum frisst du so viel Gras?“ fragte die Eule. „Gras ist ein Brechmittel.“
„Ich finde es lecker,“ erwiderte das Kaninchen, „und ich liebe es.“

„Warum frisst du keine Schnecken?“ fuhr die Eule fort.
„Weil ich sie hasse,“ antwortete das Kaninchen.

„Unmöglich!“ rief die Eule. „Wer ist da, der etwas lieben könnte, und was soll dort sein, das gehasst werden könnte, und von wem? Das sind die albernsten Worte unserer Sprache!“
„Jeder von uns beiden ist da,“ schlug das Kaninchen vor, „also du und ich, nur als Beispiel.“

„Absurd,“ fuhr die Eule vor, „wie können wir zwei sein?“
„Warum nicht?“ beharrte das Kaninchen.

„Weil ich bin, und du nicht,“ stellte die Eule fest.
„Aber in der Raum-Zeit … “ meinte das Kaninchen.

„In keiner Zeit,“ klapperte die Eule entschieden und setzte zu einem Sturzflug an.
„Mag ja sein,“ sagte das Kaninchen und tauchte in seinem Bau unter, „dieses eine kriegst du jedenfalls nicht!“

4 – In dir

„Ich bin dies-was-ich-bin,“ sagte die Eule, „absolutes Ich, leer von jeglicher Objekthaftigkeit.“
„Ist das wirklich so?“ schniefte das Kaninchen und rümpfte seine Nase.

Objektiv gesehen, bin ich alles, was auch immer im Spiegel meines Geistes erscheint, der ich, absolut gesehen, bin.“
„So siehst du überhaupt nicht aus,“ konterte das Kaninchen.

„Du schaust nur auf das, was du siehst,“ antwortete die Eule; „du schaust aus der falschen Richtung, wie das üblich ist.“
„Ich kann doch nur sehen, was vor mir, und wenn ich mich umdrehe, was hinten ist.“

„Ganz recht, ganz recht,“ antwortete die Eule, „und du siehst nichts anderes als etwas, was nicht dort ist!“
„Aber wo sind die Dinge?“ fragte das Kaninchen.

„In dir, in dir“ versicherte die Eule. „Alles ist in dir. Du wirst schon sehen!“ fügte sie hinzu, klackte mit dem Schnabel und hob majestätisch die Schwingen, bereit zum Sturzflug.

5 – Fisch

„Ich bin der Geist, in dem die Welt erscheint.“ bemerkte die Eule zum Kaninchen.
„Ist das so?“ erwiderte das Kaninchen, biss eine saftige Butterblume ab und zwirbelte sie im Mundwinkel. „So ein Gedanke ist mir noch nicht untergekommen.“

„So ist es,“ fuhr die Eule fort, „und Gedanken sind nicht wie Fische, die von Mensch oder Tier eingefangen werden können.“
„Wieso nicht?“ beharrte das Kaninchen.

„Sie sind keine Objekte,“ versicherte die Eule mit Schnabelklappern.
„Was sind sie dann? Subjekte?“

„Solch ein Subjekt wäre ein Objekt.“
„Warum?“

„Weil du es dazu machst.“
„Dann können Gedanken sich selbst fangen?“

„Können Fische das?“ antwortete die Eule.
„Also, wer kann sie dann fangen?“ fragte das Kaninchen.

„Der Fragende ist die Antwort.“
„Wie üblich!“

„Wie immer.“
„Und wer ist das?“

„Der Geist, in dem das Universum erscheint,“ war die ernste Antwort der Eule.
„Und was ist das?“ fragte das Kaninchen weiter.

„Ich bin das,“ verkündete die Eule, „das kannst sogar du sagen!“

 6 – Hier

„Meine Abwesenheit ist das, was ich bin,“ sprach die Eule, „man hat es als ‚die Leere‘ bezeichnet.“
„Ja?“ war der Kommentar des Kaninchens, es spielte gerade mit einer schmackhaften Distel.

„Bin ich abwesend, ist das Universum da,“ fuhr die Eule fort, „und sogar du wärest willkommen.“
„Wie reizend!“ erwiderte das Kaninchen, nicht so ganz höflich. „Aber wo?“

„Hier,“ klapperte die Eule entschieden, „absolut HIER.“
„Und wo genau ist das?“

„Da, wo ich bin, das ist da, wo ich war, immer schon gewesen bin,“ schnappte die Eule.
„Und wo werde ich dann sein?“ fragte das Kaninchen ängstlich.

„Hier, natürlich HIER! Wo sonst könntest du sein?“
„Doch wo soll dort Raum für uns beide sein, da, wo du bist?“ fragte das Kaninchen in aller Unschuld.

„Du bist anwesend in meiner Abwesenheit,“ erklärte die Eule geduldig.
„Ich kann nicht erkennen, wie das gehen soll,“ war die Antwort des Kaninchens.

„Du kannst, du kannst!“ versicherte die Eule und bereitete ihre Abwesenheit vor. „Ich werde dafür sorgen.“

7 – Es ist so

„Wie könnte ich dich lieben?“ fragte die Eule das Kaninchen. „Ich bin was du BIST.“
„Ist das wirklich so?“ antwortete das Kaninchen, genießerisch eine Butterblume mampfend.

„Wie könntest du mich hassen?“ fuhr die Eule fort, „du bist was ich BIN.“
„Habe ich noch nicht bemerkt,“ stellte das Kaninchen nachdenklich fest.

„Wie sollte es denn sonst sein?“ fragte die Eule. „Was auch immer wir sind – das BIN ich.“
„Seit wann?“ erkundigte sich das Kaninchen. „Seit kurzem?“

„Immer schon,“ antwortete die Eule, „‚Zeit‘ gibt es nicht.“
„Nun denn, wo geschieht das?“

„Überall, es gibt auch keinen ‚Raum.'“
„Dann sind wir tatsächlich eins?“ meinte das Kaninchen.

„Ganz sicher nicht,“ klapperte die Eule, „es gibt kein ‚eins‘.“
„Was gibt es denn?“ zweifelte das Kaninchen.

„Kein irgendwie geartetes ‚Ding‘!“ antwortete die Eule mit Nachdruck.
„Was denn sonst?“ fragte das Kaninchen verwirrt.

„Leben!“ sagte die Eule, schlug mit ihren großen Flügeln und klackte mit dem Schnabel. „Wie die Meister es so oft gesagt haben, ‚wenn ich hungrig bin, esse ich, und wenn ich müde bin, schlafe ich!'“

8 – Zuhause

„Diese neumodische Einstellung ‚Auf Leben und Tod‘, ist großer Unfug!“ seufzte die Eule und breitete resigniert die Flügel aus.
„Ich finde das gut,“ antwortete das Kaninchen.

„Du meinst, dass du denkst, dass du das tust.“
„Wie könnte ich das nicht gut finden?“

„Denken ist nur eine Idee im gespaltenen Geist,“ sagte die Eule. „Tatsächlich gibt es das überhaupt nicht.“
„Aber ich bin glücklich,“ insistierte das Kaninchen.

„Unsinn, Unsinn,“ schnappte die Eule, „es gibt kein ‚du‘, das irgend etwas sein könnte, noch irgend ‚etwas‘, was du sein könntest.“
„Schade,“ seufzte das Kaninchen, „Ich dachte immer, da wäre etwas.“

„Denken, Denken!!“ klagte die Eule und drehte ihren Kopf um neunzig Grad. „Eine unnütze Angewohnheit, von den Weisen einhellig missbilligt.“
„Was sind dann die Weisen, wenn sie nicht vom Denken gestört werden können, und wie können sie weise sein?“

„Denjenigen, die schauen,“ erklärte die Eule kurzerhand, „offenbart sich eine weitere Dimension.“
„Und was soll das sein?“

„Eine weitere Richtung der Entfaltung – eine Vision,“ erklärte die Eule.
„Und wie funktioniert das?“ fragte das Kaninchen?

„Dabei entstehen keinerlei Begriffe,“ schnappte die Eule, „der gespaltene Geist ist dann ein Ganzes.“
„Und was bewirkt das?“ fragte das Kaninchen.

„Sie nehmen unmittelbar wahr,“ antwortete die Eule, drehte ihren Kopf zurück und fixierte das Kaninchen mit ihren leuchtenden Augen, „und dabei sind ’sie‘ natürlich abwesend.“
„Ach ja?“ grübelte das Kaninchen. „Und was ist dabei anwesend?“

„Anwesend?“ fragte die Eule. „Wieso, natürlich alles!“
„Alles?“ rief das Kaninchen fragend und hüpfte vor Überraschung. „Wie denn das?“

„Wenn ich als Vorstellung abwesend bin,“ rief die Eule, „ist jeder und jedes am rechten Platz – HIER, wo ich BIN -, wo all das absolut zu Hause ist!“

9 – Für-ür-was-as

„Manchmal frage ich mich,“ sagte das Kaninchen, „warum du wohl den Mond der Sonne vorziehst.“
„Das ist berufsbedingt,“ antwortete die Eule. „Wenn ich ganz offen als Tageslicht scheine, dann tun andere, was getan werden muss; wenn ich verdeckt als Mondlicht scheine, kümmere ich mich selbst um meine Dinge.“

„Dinge – so wie du selbst?“ meinte das Kaninchen spitzbübisch und hüpfte in die Höhe.
„Alle ‚Dinge‘ manifestieren sich als Das-was-ich-bin,“ sagte die Eule nachdrücklich, „entfaltet in begrifflicher Raum-Zeit innerhalb eines ganzheitlichen Geistes.“

„Gewiss, “ war der Kommentar des Kaninchens und pflückte ein saftiges Kleeblatt, „das muss für sie ja ganz nett sein!“
„Ich freue mich, dass du das so siehst, “ erwiderte die Eule. „Doch relativ betrachtet, wenn mein Geist gespalten ist, muss es offenbar auch Leid geben. Wenn positiv und negativ gleichwertig sind, dann heben sie sich gegenseitig auf, die Folge sind Gleichmut und die Auflösung aller Unterscheidungen.“

„Also müssen wir leiden,“ fragte das Kaninchen, „weil es Unglück gibt?“
„Es gibt weder Glück noch Unglück, “ antwortete die Eule, „es gibt keins von beiden ohne sein Gegenteil. Es sind begriffliche Bewertungen, die sich in wechselseitiger Verneinung aufheben.“

„Also, was sind sie dann?“ beharrte das Kaninchen.
„Was bist du?“ erwiderte die Eule, „was ist jede sinnliche Wahrnehmung, alles Denken, Urteilen, Unterscheiden?“

„Das, was das alles tut, nehme ich an,“ meinte das Kaninchen. „Ich, zum Beispiel.“
„Als solches bist du nur das, was wahrgenommen wird,“ rief die Eule, „es ist nur ein Objekt des Geistes.“

„Nun, was nimmt das wahr, das wahrgenommen wird?“ fragte das Kaninchen.
„Ich,“ antwortete die Eule, „ich, auf ewig ich.“

„Und für was oder für wen gilt dieses ‚Ich‘?“ setzte das Kaninchen nach und kräuselte zweifelnd seine Nase.
„Für was oder für wen?“ antwortete die Eule. „Willst du die Antwort?“

„Bitte, ja!“ sagte das Kaninchen.
„Nun gut,“ sagte die Eule, „gib acht und du wirst es hören,“ hob ihre Schwingen und streckte den Rücken, und der Wald gab vielfältiges Echo auf die dröhnende Antwort:
„Für-ür-was-as, für-ür-was-as, für-ür-wen-en!“

10 – Ich – kein Ding …

„Wenn du es einfach ausdrücken würdest,“ bemerkte das Kaninchen, „könnte ich es vielleicht verstehen.“
„Was einfach?“ fragte die Eule.

„Einfach in einem Dutzend Wörter.“
„Acht würden genügen,“ klackte die Eule.

„Also gut, dann acht, wenn acht genug sind.“
„Acht sind noch zu viel, doch du brauchst sie.“

„Wie du meinst,“ seufzte das Kaninchen, „wie lauten sie also?“
„Ich, die kein Ding ist – bin jedes Ding,“ sagte die Eule.

„Wie kannst du beides sein, wenn du keins von beiden bist?“
„Genau deshalb, weil ich keines bin, bin ich beides.“

„Und was bin ich dann?“
„Das Problem ist, du denkst, dass du ein Ding bist, statt dass du nicht etwas bist.“

„Na und?“ fragte das Kaninchen.
„Also leidest du,“ erwiderte die Eule und entschied, es sei Zeit für eine Mahlzeit.

11 – Der Grund

„Du siehst müde und hungrig aus!“ sagte das Kaninchen teilnahmsvoll.
„Bin ich,“ antwortete die Eule.

„Also dann, warum isst du nicht und schläfst dann eine Weile?“
„Nichts da zum Essen und nicht schläfrig.“

„Erlaube mir,“ meinte das Kaninchen, „ich stehe zur Verfügung und bin bereit.“
„Du!?“ Bist du Buddhist oder so etwas ähnliches geworden?“

„Ja,“ erwiderte das Kaninchen schüchtern, „das macht solchen Spaß!“
„Also bietest du dich mir an?“

„Mit Freuden, “ sagte das Kaninchen, mit begeisterter Stimme und bebender Nase. „Ein Opfer zu bringen bedeutet großes Glück.“
„Tut mir Leid, da spiele ich nicht mit!“

„Warum nicht?“ fragte das Kaninchen gekränkt.
„Buddhisten mögen nichts Appetitanregendes oder Schmackhaftes,“ klackerte die Eule, „ich ziehe eine Ratte vor!“

12 – Tun

„Du verachtest uns Buddhisten?“ wollte das Kaninchen bedrückt wissen.
„Nicht speziell,“ antwortete die Eule in beiläufigem Ton.

„Aber gestern hast du mir gesagt, dass du eine Ratte vorziehst!“
„Genau, wenn ich mich recht erinnere, wollte jemand sein wertvolles ‚Selbst‘ opfern!“

„Ja, dieses hier,“ sagte das Kaninchen und rümpfte ein wenig seine Nase. „Darf ich fragen, warum du das nicht akzeptierst?“
„Da ist niemand, der das anbieten könnte,“ erklärte die Eule, „was abwesend ist, schmeckt nach nichts; man kann es verdauen, es ist aber nicht nahrhaft.“

„Ich kann dir nicht folgen,“ seufzte das Kaninchen.
„Eine relativ anwesende Erscheinung hat nichts anzubieten,“ erklärte die Eule geduldig, „das könnte sie nur als Abwesenheit.“

„Wieso denn das?“ fragte das Kaninchen verwirrt.
„Eine Erscheinung nimmt, gibt jedoch nicht,“ stellte die Eule fest, „so ist das egoistische Wollen, das sich in der Raum-Zeit entfaltet, nun mal beschaffen.“

„Und wenn sie es doch tut?“ fragte das Kaninchen.
„Dann macht sie sich etwas vor,“ sagte die Eule, „nur Abwesenheit kann etwas TUN.“

„Darüber muss ich nachdenken,“ grübelte das Kaninchen zaghaft.
„Zeitverschwendung,“ klackte die Eule. „Verschwende nichts, wünsche nichts – TU einfach.“

„Aber wie soll ich TUN?“ fragte das Kaninchen.
„Tu, als würdest du getan, lass dich GETAN sein!“ schloss die Eule. „Übrigens – das geschieht sowieso!“

13 – Absolut gesehen

„Ich bin immer anwesend,“ sagte die Eule.
„Wie ist das möglich?“ fragte das Kaninchen.

„Weil ich immer abwesend bin,“ erklärte die Eule.
„Ich glaube mich zu erinnern, dass du sagtest, du seist nur anwesend, wenn du abwesend bist,“ bemerkte das Kaninchen skeptisch.

„Das stimmt auch,“ antwortete die Eule liebenswürdig, „meine relative Abwesenheit ist meine absolute Anwesenheit, und meine relative Anwesenheit ist meine absolute Abwesenheit.“
„Irgendwie verwirrend,“ kommentierte das Kaninchen; „solche Verwandlungen habe ich noch nicht erlebt.“

„Da verwandelt sich nichts,“ antwortete die Eule; „absolut gesehen bin ich immer anwesend, relativ gesehen ist meine scheinbare Anwesenheit meine scheinbare Abwesenheit als ich.“
„Kannst du dich nicht entscheiden, was dir lieber ist?“ fragte das Kaninchen und schob sich an seinen Bau heran.

„Vorlieben sind relativ und illusorisch,“ klackerte die Eule; „absolut gesehen gibt es nichts, das nur anwesend oder nur abwesend sein könnte.“
„Also, was bist du dann?“ fragte das Kaninchen, bereit zum Sprung.

„Anwesenheit als solche,“ rief die Eule und hob ihre großen Schwingen. „Und Abwesenheit als solche; für alle Zeit weder anwesend noch abwesend.“
„Warum ist das so?“ fragte das Kaninchen und sah über seine Schulter zurück.

„Es gibt absolut kein ‚wo‘ für irgend ein ‚Ding‘, um zu sein, und auch kein ‚Ding‘, um irgend ‚wo‘ zu sein,“ schrie die Eule und schlug ekstatisch mit den Flügeln.
„Und du?“ fragte das Kaninchen und lugte aus seinem Loch hervor.

„Von Ewigkeit zu Ewigkeit BIN ich einzig als ich. Füüür-waaas, füüür-wooo, füüür weeen“, flötete die Eule, erhob sich majestätisch und segelte hinauf in den lichten Himmel.

„Sie ist weg!“ bemerkte das Eichhörnchen, das hinter einem Baum saß.
„Relativ gesehen,“ fügte das Kaninchen hinzu und lugte aus seinem Bau, „absolut gesehen allerdings: HINAUF.“

„Absolut gesehen – bescheuert!“ stellte das Eichhörnchen fest, umkreiste den Stamm und sprang von einem Ast zum nächsten Baum.

14 – „Bitte, nach Ihnen … „

„Was auch immer gesehen wird,“ sagte die Eule, „bin ich, der sieht. Was immer erkannt wird – bin ich, der schaut. Und was immer der Verstand erfasst – bin ich, der versteht.“
„Was muss das für ein Spaß für dich sein!“ war die höfliche Antwort des Kaninchens.

„Spaß für ‚dich‘, ja,“ schnappte die Eule,“ oder eine rot glühende Hölle – das kann es auch sein!“
„Warum für mich?“ fragte das Kaninchen unschuldig.

„Weil es ein ‚du‘ ist, das dies erfährt oder darunter ‚leidet‘ – man unterstellt dem Buddha, dass er das Erleben derart beschrieben hat.“
„Warum muss ich erleben oder ‚erleiden‘, was du siehst oder erkennst?“ fragte das Kaninchen.

„Weil nur ein ‚Du‘ Freude oder Leid erfahren kann,“ blieb die Eule geduldig. „Wie könnte ich überhaupt irgend etwas erfahren?“
„Wieso denn nicht?“ fragte das Kaninchen und spitze seine langen Ohren.

„Natürlich deshalb, weil allein ich BIN,“ rief die Eule. „Du, im Gegensatz zu mir, bist – absolut gesehen – überhaupt nicht da!“
„Schade!“ murmelte das Kaninchen und ließ ein Ohr hängen. „Ich bin doch scheinbar ein Prachtexemplar von einem Kaninchen.

„Scheinbar, scheinbar!“ rief die Eule, „natürlich bist du ’scheinbar‘ etwas; schließlich halten dich sogar diese aufrechten, zweibeinigen Monster für ein ‚Prachtexemplar von einem Kaninchen‘, wenn sie dich kochen und zu dem verarbeiten, was sie ‚Ragout‘ nennen!“
„Und das soll alles sein, wofür ich gut bin?“ fragte das Kaninchen bescheiden.

„Alles, absolut alles,“ stellte die Eule fest. „Wäre jetzt Essenszeit, gäbe ich dir eine praktische Demonstration!“
„Kein Bedarf, überhaupt kein Bedarf,“ erwiderte das Kaninchen schnell, „ich glaube dir auch so!“

„Wenn das so ist, dann komme ich herunter, wenn du das nächste Mal hungrig bist – falls du mir die Ehre geben würdest, mich zu verspeisen,“ bot die Eule freundlich an.
„Zu viel der Ehre,“ sagte das Kaninchen, tief berührt, „doch du solltest wissen, dass ich strikter Vegetarier bin!“

„Wie du willst,“ erwiderte die Eule gleichmütig, „ganz wie du willst. Stehe dir als Phänomen jederzeit zur Verfügung. Relativ gesehen sind diese Angebote austauschbar.“

15 – Restposten

„Wenn auch das letzte Objekt vom letzten Subjekt verneint wird, werde ich als ich übrig bleiben,“ stellte die Eule fest.
„Wirst du dich dann nicht ziemlich einsam fühlen – falls so etwas je passieren sollte?“ fragte das Kaninchen.

„Wer sollte da noch sein, um irgend etwas zu fühlen?“ antwortete die Eule. „Es gibt kein ‚du‘.“
„Wer bleibt dann noch?“ fragte das Kaninchen und stellte eines seiner Ohren auf.

„Ich, natürlich, wie könnte ich nicht übrig bleiben? Es gibt kein „Ich“, das nicht übrig bleiben könnte.“
„Und, wer ist das, der übrig bleibt?“ forderte das Kaninchen und hob das andere Ohr.

„Ich natürlich,“ mahnte die Eule geduldig, „es gibt kein ‚Wer‘.“
„Verwirrend für einen armen Vegetarier!“ war die ergebene Antwort des Kaninchens.

„Alle ‚Wer‘ sind eine Ausdehnung in ‚Raum‘ und ‚Dauer‘, ob nun Vegetarier oder nicht,“ erklärte die Eule, „und es gibt sie in keiner Hinsicht.“
„Das finde ich schade,“ seufzte das Kaninchen und senkte betrübt seine Ohren, „wie wäre das Leben ohne sie?“

„Wie ist das Leben mit ihnen?“ wollte die Eule wissen.
„Zugegeben, eine Art von Spiel,“ sagte das Kaninchen und wackelte zynisch mit den Ohren, „doch ich würde mich sonst einsam fühlen.“

„Unmöglich,“ erklärte die Eule, „Nagetiere sind nur räumlich-zeitliche Vorstellungen, und ‚Einsamkeit‘ gibt es nur in Relation zu ‚Vielzahl‘. Als Ich würdest du keines davon kennen.“
„Aber wäre ich du, gäbe es mich nicht mehr,“ machte das Kaninchen geltend.

„Gäbe es kein ‚ich‘ mehr, wenn deine Grammatik besser wäre,“ korrigierte die Eule. „Wie auch immer, jegliches ‚ich‘ als ein Ding ist Unsinn – es gibt nur ich.“
„Und ‚ich‘ gibt es nicht – so wie du immer sagst?“

„Genau,“ stimmte die Eule zu, „ein ‚ich‘ kann nicht sein, doch ich bin.“
„Also gibt es dich doch?“ protestierte das Kaninchen.

„Nein, nein!“ erklärte die Eule mit Engelsgeduld. „Ich bin, aber es kann nicht irgend ein ‚Ding‘, ein Objekt geben wie ‚dich‘ oder ‚mich‘.“
Also dann, gibt es dich?“

„Relativ gesehen. Grammatikalische Absurditäten produzieren sprachliche Konfusion!“ erklärte die Eule. „Ich bin, und dich gibt es nur als ich.“
„Du meinst, mich gibt es nur als dich?“

„Ganz sicher nicht,“ sagte die Eule, langsam ermüdend, „Ich bin nur ich, und es gibt kein ‚mich‘, gleich, wer das sagt – oder wer denkt, dass er als ‚mich‘ spricht, etwas tut, handelt oder lebt!“
„Ich glaube fast, ich habe es verstanden,“ sagte das Kaninchen dankbar und wackelte mit den Ohren.

„Hast du nicht,“ rief die Eule, „solange du ‚denkst, dass du verstehst.‘ ‚Denken‘ und ‚Verstehen‘ sind relative Vorstellungen des gespaltenen Geistes in einem zeitlichen Kontext. Einzig das direkte Schauen des ganzen Geistes kann diese Virtualität offenbaren.“
„Und wie soll ich das anstellen?“ fragte das Kaninchen verzagt.

„Komm aus deinem Bau – und lass dein Selbst drinnen!“ sagte die Eule mit bohrendem Blick ihrer leuchtenden Augen.

16 – Nass oder trocken

„Sieht es immer noch aus, als ob ich regne?“ Die Eule öffnete fragend ein Auge und blickte gen Himmel.
„Ja, tust du!“ antwortete das Kaninchen und linste aus seinem Bau. „Und mir wäre es lieber, du würdest damit aufhören! Ich habe Hunger, und nasses Gras macht mir manchmal Bauchschmerzen. Bitte scheine, damit die Dinge trocken werden.“

„Ich scheine immer und ewig,“ antwortete die Eule, „solche Unterschiede machst nur du.“
„Doch du wirst ja selber nass, wenn du regnest,“ wandte das Kaninchen ein.

„Genau,“ stimmte die Eule zu, „wie du sagst.“
„Wie soll ich das verstehen?“ fragte das Kaninchen verwirrt.

„Du hast gesagt ‚du wirst ja selber nass‘. Du meinst damit ‚du‘ – oder als ‚ein Du‘, wenn dir das lieber ist – ‚du‘ wirst nass. Nun, alle ‚du‘ werden nass, wenn ich regne.“
„Heißt das, alle ‚ich‘ scheinen, wenn du scheinst?“

„Du redest Unsinn, wie üblich,“ bemerkte die Eule, „es gibt kein ‚ich‘, nur ich.“
„Demnach gibt es kein ‚du‘, sondern nur dich?“ fragte das Kaninchen.

„Es gibt überhaupt kein ‚du‘,“ sagte die Eule mit Nachdruck, „alle ‚du‘ sind Vorstellungen im Geist.
„Und was sind wir, wenn wir uns einander zuwenden?“

„Ich, immer ich,“ erwiderte die Eule beiläufig.
„Aber was ist das, an was wir uns wenden?“ beharrte das Kaninchen.

„Habe ich dir bereits gesagt – nichts als eine Vorstellung im Geist, es gibt nur ich, und ich bin nicht als irgend ‚etwas‘.“
„Und was gilt für mich?“ protestierte das Kaninchen und wackelte mit den Ohren.

Ich bin ich,“ antwortete die Eule und klapperte mit dem Schnabel, „und du bist ich, jeder kann das sagen. Es gibt absolut kein ‚mich‘, und sogar du sprichst genügend gut Deutsch, um nicht zu sagen: ‚du bist mich‘!“
„Gib mir Zeit, darüber nachzudenken,“ sinnierte das Kaninchen, „darüber werde ich meditieren.“

„Tu nichts dergleichen!“ rief die Eule und fixierte das Kaninchen mit ihrem Blick. „‚Meditieren‘ bedeutet, den unterscheidenden Verstand zu gebrauchen. Schau von innen und sieh – SIEH, dass es so IST. Hör‘ auf zu unterscheiden und bleibe GANZ!“

17 – Die Tatsache

„Wenn ich schaue, nimmst ‚du‘ wahr,“ meinte die Eule zum Kaninchen, „denn ich allein BIN.“
„Kann ich das nicht auch sagen?“ fragte das Kaninchen.

„Falls du bist – kannst du,“ erwiderte die Eule.
“ Ist das das wesentliche Faktum?“ fragte das Kaninchen zweifelnd.

„Es gibt keine Fakten,“ schnappte die Eule.
„Was kann man dann sagen, was die Wahrheit ist?“ fragte das Kaninchen.

„Du bist, was ich bin – ich bin, was du bist,“ bemerkte die Eule spöttisch.
„Wie schön für mich“, war die höfliche Antwort. „und für dich?“

„Unweigerlich,“ klapperte die Eule.
„Können wir das alle sagen?“ fragte das Kaninchen.

„‚Sagen‘ ist eine Tätigkeit des Verstandes,“ erklärte die Eule. „Wir wissen das alle.“
„Auch Butterblumen?“ fragte das Kaninchen spöttisch nach und biss eine ab.

„Warum nicht?“ klackte die Eule. „Butterblumen sind Lebewesen wie du! Und weniger gefräßig!“
„Sind wir nicht alle ein wenig gefräßig?“ Das Kaninchen hüpfte etwas nervös.

„Unterschiede, wie Vorlieben, sind konzeptueller Nonsens,“ erklärte die Eule.
„Demnach bist sogar du nicht besser oder schlechter als eine Butterblume?“ fragte das Kaninchen lässig.

„Als ‚Ich-Wesen‘ ist nichts und niemand besser oder schlechter als irgendwelche anderen Phänomene innerhalb des Geistes. ‚Besser-oder-schlechter‘ ist begrifflicher Quatsch.“
„Wie bescheiden du bist!“ bewunderte das Kaninchen.

„Begriffliches Gefasel!“ stellte die Eule fest. „Wenn du schon plappern musst, dann sinnvoll!“
„Aber ich fresse Butterblumen,“ konterte das Kaninchen, „und sie mich nicht!“

„Und Menschen fressen dich,“ fügte die Eule hinzu, „frisst du Menschen?“
„Was für eine Vorstellung!“ sagte das Kaninchen, ließ die Butterblume fallen und rülpste, als ob ihm übel wäre.

„Und Eulen fressen dich,“ wies es die Eule hin, „verursacht dir das auch Übelkeit?“
„N-n-nein!“ sagte das Kaninchen hastig, „das ist natürlich eine Ehre!“

„Überhaupt nicht,“ erwiderte die Eule. „Es ist nur eine Notwendigkeit, und manchmal macht es Vergnügen!“
„Klar, bin allzeit bereit,“ murmelte das Kaninchen etwas zögernd.

„Recht so, solltest du auch,“ antwortete die Eule zuvorkommend, „unglücklicherweise frisst kaum jemand Eulen.“
„Nicht einmal Ratten?“ fragte das Kaninchen?

„Die bekommen selten die Chance dazu,“ bemerkte die Eule, „auch wenn sie keine sonderlich wählerischen Manifestationen sind. Kaum begünstigt von der Natur, und allgemein unbeliebt, die armen Dinger. Vielleicht, wenn mich eine nett fragt, tue ich ihr den Gefallen.“

18 – Freundschaft

„Was gibt es?“ fragte die Eule
„Ich möchte dich etwas fragen,“ sagte das Kaninchen nachdenklich.

„Ich weiß,“ sagte die Eule.
„Dachte ich mir,“ antwortete das Kaninchen und kratzte sich am Ohr. „Warum sind wir Freunde?“

„Natürlich weil wir – relativ gesehen – jeweils Aspekte des anderen sind,“ erklärte die Eule.
„Also das ist es?“ grübelte das Kaninchen. „So verschieden, und doch beide gemeinsam Aspekte von etwas?“

„Unsinn!“ krächzte die Eule und wandte ihren Kopf zum Kaninchen. „Gemeinsame Aspekte von keinem ‚Etwas‚.“
„Besteht da wirklich ein Unterschied?“ fragte das Kaninchen, „Ich meine, von ‚Etwas‘ und ‚kein Etwas‘?“

„Natürlich nicht!“ antwortete die Eule, „Falls du das verstehst.“
„Weil das, was ich bin – du bist, und was du bist – ich bin?“

„Genau,“ bemerkte die Eule, „doch wenn du das wirklich weißt, wieso fragst du?“
„Ich ahne das nur,“ sagte das Kaninchen, „ich bin mir nie sicher, ob ich es auch weiß!“

„Du weißt das durchaus,“ korrigierte die Eule, „aber du bist derart konditioniert, dass du selber kaum glaubst, was du weißt. Worum geht es dir eigentlich?“
„Ich habe gerade eine besonders leckere Distel gefunden, und ich hörte mich selbst sagen ‚Aber du bist das, was ich bin!“

„Und, war sie es?“
„Ja, aber das verdarb mir den Appetit!“

„Konditioniert! Konditioniert!!“ rief die Eule. „Sie ist, was du als ich bist, aber nicht als ‚ein Ich‘.“
„Worin besteht der Unterschied?“ fragte das Kaninchen verwirrt.

„Jeder denkbare und zugleich keiner,“ erklärte die Eule. „‚Unterschiede‘ gehören zum Bereich der relativen Erscheinungen – absolut gesehen gibt es Erscheinungen nicht einmal.“
„Aber relativ gesehen …?“

„Relativ gesehen – deine Jungen sind zum Beispiel ein Aspekt von ‚dir‘ als ‚Ich‘-Wesen, und auch von dem was du als ich bist. Absolut gesehen kann es aber nie und nirgends irgendwelche Unterschiede geben.“
„Also hätte ich die saftige Distel fressen sollen?“

„Gefühlsduselei!“ monierte die Eule. „Wenn dein Leben relativ ist und zugleich von Gefühlen bestimmt, solltest du überhaupt nichts fressen, weil alles, was dir nutzt, einem anderen Aspekt von dir schadet.“
„Aber wenn ich absolut lebe?“ fragte das Kaninchen.

„Dann friss all deine Freunde und Verwandte, doch beginne zuerst bei dir selbst! Wo soll da, absolut gesehen, ein Unterschied sein?“
„Solch ein Leben wäre wohl ein ziemliches Chaos!“ wandte das Kaninchen ein.

„Nun ja, das ist es ja ohnehin, oder?“ echote die Eule laut in den Wald.
„Aber es kann viel besser sein … ,“ zögerte das Kaninchen.

„Ja, freilich, das ist möglich,“ erwiderte die Eule, „das war schon öfter so, manchmal ist es das auch jetzt – ein wenig -, und vielleicht irgendwann wieder. Doch dann wird es ein Resultat unmittelbaren Verstehens sein und nicht irgend einer relativen Methode, mit der man etwas erreichen will.“
„Hört sich schwierig an, so zu leben,“ reklamierte das Kaninchen.

„Lebe nicht in irgend eine Richtung,“ beharrte die Eule, „lass dich gelebt werden, dir bleibt ohnehin nichts anderes übrig.“
„Selbst das erscheint mir schwierig!“ sagte das Kaninchen.

„Schwierig? Blödsinn!“ sagte die Eule. „Gelingt dir die innere Schau, dass alle Dinge Aspekte deiner selbst als ich sind, sind sie alle Das-was-du-bist. Und wenn du mit deinen Sinnen wahrnimmst, dass einige Dinge Aspekte sind von dem, was du als ‚Ich‘-Wesen bist, dann nimmst du sie als relative Teile deines ‚Selbst‘ wahr, und du spürst Gefühle für sie. Verhalten sich ‚andere‘ ebenso, lösen sich Konflikte von selbst auf.“
„Aber wenn sie meine persönlichen Bedürfnisse infrage stellen?“

„Das werden sie nicht, wenn auch sie verstanden haben,“ sagte die Eule, „sie werden für dich da sein – wie ich.“
„Das wäre es, wenn wir sagen, wir sind ‚Freunde‘?“

„Ganz genau,“ stellte die Eule fest, „das ist die Antwort auf deine Frage, warum wir Freunde sind.“
„Aber werden andere ‚Ichs‘ wahrnehmen, dass sie Aspekte sind von dem, was ich als ‚Ich‘-Wesen bin?“ fragte das Kaninchen.

„Gestern habe ich dir gesagt, ‚Wenn ich schaue, dann nimmst ‚du‘ wahr, denn ich allein BIN‘, antwortete die Eule.
„Und es ist ich, was schauen muss?“ fragte das Kaninchen.

„Nur ich kann jemals schauen,“ sagte die Eule nachdrücklich.
„So dass ich ich bin?“ sagte das Kaninchen, beide Ohren aufgestellt.

„Natürlich, natürlich,“ erwiderte die Eule, „was sonst könntest ‚du‘ sonst sein außer ich?“

19 – Einsamkeit

„Ja?“ fragte die Eule.
„Danke,“ sagte das Kaninchen beflissen, „Ich wollte dir eine Frage stellen, doch ich befürchtete, deine Gedanken zu stören.“

„Meine …. was zu stören?“ schrie die Eule und hob indigniert die Flügel.
„Deine – nun ja – ich fürchte, ich sagte ‚deine Gedanken'“, bedauerte das Kaninchen.

„Nur flügellose Menschenwesen verschwenden ihre Zeit mit solch oberflächlichem Zeug!“ klackerte die Eule ungehalten mit ihrem Schnabel. „Ihr Geist ist gespalten, von früher Kindheit bis in das Grab.“
„Ich erinnere mich, dass du davon sprachst, dass auch ‚Raum‘ und ‚Zeit‘ ‚objektiver, Unsinn‘ sind, sagte das Kaninchen, „und ich würde gerne wissen, warum.“

„Aus objektiver Sicht, und das gilt für beide, sind sie lupenreiner Unsinn.“ erwiderte die Eule. „Aber subjektiv gesehen sind sie das, was du als objektive Erscheinung – oberflächlich gesehen – bist.“
„Warum ist das so?“ fragte das Kaninchen.

„Würde deine Erscheinung nicht in die Dimensionen des ‚Raums‘ ausgedehnt, und würde sie keine Dauer in der ‚Zeit‘ besitzen, könntest du gar nicht in Erscheinung treten, “ antwortete die Eule, „ist das nicht offensichtlich?“
„Und du könntest mich nicht sehen?“ grübelte das Kaninchen.

„Du wärest nicht vorhanden, könntest weder gesehen werden noch selbst etwas sehen.“
„Und das heißt, dass jegliche phänomenale Erscheinung ‚völliger Unfug‘ ist?“

„Man könnte meinen, dass du beginnst, etwas zu verstehen, „sagte die Eule überrascht.
„Doch wenn man das verstünde, sollte alles klar sein und es bliebe nichts weiter zu sagen?“ meinte das Kaninchen nachdenklich.

„Ganz recht,“ klackte die Eule, „könnte irgend etwas offensichtlicher sein?“
„Warum lehrst du es dann nicht?“ fragte das Kaninchen.

„Ich lehre nicht,“ rief die Eule, „ich beantworte Fragen, doch die Fragenden schenken den Antworten anscheinend keine Beachtung.“
„Sodass du damit wie ein Rufer in der Wüste bist?“ schlug das Kaninchen vor.

„Eine Eule, die im weiten Himmel ruft,“ korrigierte die Eule.
„Muss einsam sein,“ sagte das Kaninchen mitfühlend, „der weite Himmel sieht leer aus.“

„Nur ein Objekt kann einsam sein,“ sagte die Eule, „ich bin kein Objekt.“
„Aber wenn du in den weiten Himmel rufst, bist du dann kein Objekt?“

„Nur für dich,“ erwiderte die Eule und schaute es mit großen Augen an.
„Wie das?“ fragte das Kaninchen.

„Alle Objekte gibt es als solche nur für ein ‚du‘, verstehst du das nicht?“
„Und du, bist du nicht einsam, wenn du kein Objekt bist?“ fragte das Kaninchen und kratzte sich nachdenklich am Ohr.

„Alle Objekte sind unvermeidlich einsam,“ führte die Eule aus, „sie sind scheinbar getrennt. Abgesondert und allein denken sie, sie seien unglücklich. Ich bin niemals einsam.“
„Aber warum ist das so?“

„Wie könnte ich einsam sein?“ rief die Eule. „Ich bin der weite Himmel. Ho-witt – ho-witt – huhu: Ich, der alles ist, bin kein ‚Ding‘!“

20 – Der Sturm

„Ein wenig stürmisch heute,“ sagte die Eule und krallte ihre Klauen fest in den schwankenden Ast, „bleib lieber im Haus – wenn du eins hast.“
„Ich bin im Prinzip schon unter der Erde,“ rief das Kaninchen durch den Wind, der durch die Bäume pfiff, „doch du bist ja hoch oben, halte dich gut fest – oder leiste mir hier unten Gesellschaft.“

„Du scheinst zu vergessen,“ rief die Eule ernst, „dass ich der Wind bin.“
„Natürlich, natürlich, habe ich vergessen,“ rief das Kaninchen entschuldigend, „aber warum musst du das machen?“

„Ich mache das nicht,“ rief die Eule, „ich mache überhaupt nichts. Ich bin das nur.“
„Pech für dich!“ schrie das Kaninchen, „das muss für dich da oben schlimmer sein als für mich hier unten!“

„Ist es sicherlich – relativ gesehen,“ antwortete die Eule. „Aber, letzten Endes, wieso nicht?“
„Erscheint nur fair aus meiner Sicht,“ wagte sich das Kaninchen vor, „schließlich bist du das ja.“

„Aber du bist das doch auch, du Esel!“ rief die Eule zurück.
„Daran hatte ich nicht gedacht!“ rief das Kaninchen und wich einem fallenden Ast aus, „doch bin ich deshalb ein Esel?“

„Ich habe das nur bildlich gemeint,“ krächzte die Eule zurück, „aber natürlich bist du das dennoch.“
„Und auch so dumm?“ fragte das Kaninchen.

„Esel sind überhaupt nicht dumm,“ erwiderte die Eule, „das ist nur eine Redensart der Menschen – und idiotisch, wie üblich, wenn es um andere Tiere geht. In dem gespaltenen Geist dieser selbstverliebten Zweibeiner erscheinen sie eben so.“
In diesem Moment brach der Ast und die Eule flatterte herunter, neben das Kaninchen.

„Ich bleibe besser hier unten,“ bemerkte sie, „wenigstens als Notbehelf. Sind hier irgendwelche Ratten oder vorwitzigen Nagetiere?“
„Nicht bei diesem Wetter!“ erklärte das Kaninchen, „aber darf ich dir meine Gastfreundschaft anbieten?“

„Danke, wirklich,“ sagte die Eule, „aber ich könnte sie nicht erwidern, und es wäre nicht mehr möglich, mich auf meinen Schwingen davonzumachen, falls du mir eine ungewöhnlich dumme Frage stellst.“
„Harmlose Freunde sind besser als gefährliche Feinde,“ mahnte das Kaninchen, „in meinem Haus wärest du sicherer.“

„Sicherheit ist relativ,“ erklärte die Eule und übertönte den Wind, „Freund und Feind ebenfalls. Das ist meine Sicht der Dinge.“
„Genau,“ kommentierte das Kaninchen durchtrieben, „zum Glück haben wir zwei Augen zum Sehen.“

„Wir haben alles zweifach, was das betrifft, oder fast alles,“ sagte die Eule. „Das habe ich so arrangiert.“
„Wie schlau von dir, und wie vorausschauend!“ sagte das Kaninchen versöhnlich. „Ich bin stolz, solch einen Freund zu haben.“

„Mein liebes, gutes Kaninchen,“ sagte die Eule mit warmer Stimme, „welchen Unterschied kann es zwischen ‚Freund‘ und ‚Feind‘ geben? Die einen schmecken so gut wie die anderen.“
„Ja klar, natürlich,“ antwortete das Kaninchen etwas nervös, „doch falls mich jetzt eine Ratte angreifen würde, würdest du mich dann nicht verteidigen?“

„Sicher, sicher,“ versicherte ihm die Eule, „Ratten sind schließlich viel schmackhafter als Kaninchen!“
„Ist das deine Definition von ‚Liebe‘, fragte das Kaninchen leicht beleidigt.

„‚Liebe‘, ‚Hass‘ – worin sollte sich das unterscheiden?“ fragte die Eule. „Nichts davon hat eine Existenz, außer im Verhältnis zum jeweils anderen!“
„Aber worin besteht der Unterschied?“ fragte das Kaninchen.

„Es gibt keinen Unterschied zwischen gegensätzlichen Begriffen,“ erklärte die Eule mit Geduld und zog einen langen, heruntergefallenen Zweig vom Kopf des Kaninchens.
„Danke. Aber worin besteht der scheinbare Unterschied?“

„Unterschiede sind reine Vorstellung, Produkte des unterscheidenden Verstandes,“ erklärte die Eule, „ihr Ursprung kennt noch keinen ‚Unterschied‘.“
„Und was ist dann ihr Ursprung?“ fragte das Kaninchen.

„Ich bin ihr Ursprung,“ versicherte die Eule freundlich, „doch darf ich dir den Schutz meiner Schwinge anbieten? Ich bin unverwundbar, du hingegen nicht, und von überall fallen Objekte herunter. Sie sind potentiell gefährlich für diejenigen, die noch kein Bewusstsein dafür haben, dass das, was sie sind, ich ist.“

21 – Wer hat es getan?

„Du vergisst, wer-du-bist und denkst daran, was-du-nicht-bist“ sagte das Eichhörnchen.
„Anstelle wovon …?“ murmelte das Kaninchen und kratzte sich zaghaft am Ohr.

„Anstatt zu vergessen, was-du-nicht-bist und dir klar zu machen, wer-du-bist.“
„Etwas verwirrend,“ erwiderte das Kaninchen und kratzte sich am anderen Ohr.

„Das geht bald ganz von selbst,“ behauptete das Eichhörnchen, „doch entschuldige mich, da kommt diese Eule. Das macht mich nervös, ich muss fort.“

„Guten Morgen!“ sagte die Eule und nahm Platz auf ihrem Ast.
„Guten Abend!“ erwiderte das Kaninchen, „das, was du da siehst, ist der Mond, nicht die Sonne.“

„Genau, antwortete die Eule, „für mich ist das der Morgen. „Aufeinander bezogene Gegensätze sind, relativ gesehen, Ansichtssache.“
„Ja, ja, freilich!“ entschuldigte sich das Kaninchen.

„Was ist los mit dir?“ fragte die Eule nach einer Weile.
„Nichts!“ erwiderte das Kaninchen harmlos.

„Doch, doch!“ schimpfte die Eule, „du bist dabei, zu denken! Ich sagte doch, lass das sein. Über welchen Unsinn hast du nachgedacht?“
„Ich habe bloß vergessen was-ich-nicht-bin und mir klar gemacht, wer-ich-bin,“ antwortete das Kaninchen und wedelte in gespielter Lässigkeit mit einer Butterblume.

„Anders herum wäre es weniger idiotisch,“ kommentierte die Eule, „allerdings kommt keins von beiden der Wahrheit nahe. Beides ist positiv, und beides ist Unsinn.“
„Wieso denn?“ fragte das Kaninchen enttäuscht.

„Alles, was positiv ist, ist zwangsläufig Unsinn.“
„Aber warum?“

„Wer denkt denn über diese Dinge nach?“ forderte die Eule.
„Nun, ich!“ antwortete das Kaninchen.

„Wenn du weißt, dass du das tust, hältst du dich selbst zum Narren!“ rief die Eule. „Welcher Esel hat dir solche Flausen in den Kopf gesetzt?“
„Kein Esel, bloß dieses junge Eichhörnchen, dass sich einbildet, metaphysisch drauf zu sein.“

„So eine dumme Nuss,“ sagte die Eule, „das kommt davon, dass es solche Dinger frisst.“
„Für mich hörte sich das vernünftig an,“ wandte das Kaninchen ein.

„Natürlich hört es sich vernünftig an,“ erwiderte die Eule, „gerade deshalb ist es das nicht.“
„Wie meinst du das?“ fragte das Kaninchen.

„Was sich ‚vernünftig‘ anhört, ist zwangsläufig relativ, und alles Relative ist zwangsläufig unwahr,“ erklärte die Eule.
„Aber vergessen, was-ich-nicht-bin und mir klar machen, wer-ich-bin: Ist es nicht das, was ich tun sollte?“

„Es gibt nichts Derartiges, was du tun solltest,“ rief die Eule mit leuchtenden Augen. „wer bist ‚du‘ denn, um irgend etwas zu tun? Alles, was du ‚tust‘, wird von ‚einem du‚ getan – selbst wenn ich das bin. Relativ gesehen gibt es nichts, was irgend ein ‚du‘ tun kann!“
„Und was heißt das?“ fragte das Kaninchen enttäuscht.

„Versuche nicht, irgend etwas zu tun. Alles, was du tust, muss unweigerlich falsch sein,“ insistierte die Eule, „weil es ‚ein du‘ tut!“
„Also, was darf ich nicht tun?“ fragte das Kaninchen irritiert.

„Versuche nicht, etwas zu tun oder etwas nicht zu tun. Ruh dich zufrieden aus, nur um zu SEIN – sei, was du BIST!“ sagte die Eule ernst.
„Woher willst du das wissen? Bist du Gott?“ fragte das Eichhörnchen, das hinter einem Stamm hervorlugte.


„Gewiss bin ich Gott,“ antwortete die Eule, „warum fragst du?“
„Weil nur Gott über solche Dinge Bescheid wissen kann!“ erwiderte das Eichhörnchen ironisch.

„Was heißt ’nur‘ Gott!“ schnaubte die Eule und hob empört seine Schwingen. „Ich bin nicht nur Gott! Gott zu sein ist nur eine meiner Aufgaben – ebenso wie Teufel zu sein – und langweilig dazu. Alles relativ.“
„Und was bist du, wenn du nicht ‚relativ‘ bist?“ fragte das Eichhörnchen und knackte eine Nuss mit betonter Lässigkeit.

„Ich bin absolut,“ antwortete die Eule mit Nachdruck. „Ich antworte auf Anfragen oder ignoriere sie, wie Gott, damit erfülle ich solch relative Dienste. Absolut gesehen – ich BIN, das ist alles.“

22 – Wer wirklich?

„Anscheinend weißt du viel über diese zweibeinigen Monster, die Eintöpfe aus uns machen oder uns am Spieß braten. Wie kommt das?“ fragte das Kaninchen.
„Ich weiß alles,“ antwortete die Eule, mäßig bescheiden.

„Und woher weißt du das“ fragte das Kaninchen nach.
„Wissen ist jenes ‚Wissen‘, von dem ich nichts weiß,“ sagte die Eule entschieden, „du ebenfalls nicht, als ich.“

„Sind sie ‚erleuchtet‘?“ fragte das Kaninchen.
„Sogar sie,“ antwortete die Eule fast traurig, „aber auch sie wissen es nicht.“

„Wissen sie, dass wir es sind?“
„Zumindest einer von ihnen, ein indischer Weiser.“

„Woher wusste er davon?“ fragte das Kaninchen.
„Weil er selbst ‚wusste‘,“ antwortete die Eule. „Er war mit einer Kuh befreundet, sie hieß Lakshmi, und als sie starb, beerdigte er sie neben seiner Mutter, ein Platz, der nur so genannten ‚Erleuchteten‘ zustand.“

„Und, haben das andere Menschen verstanden?“
„‚Andere‘ können nicht verstehen,“ erklärte die Eule, „das kann nur ich.“

„Wenn sie nicht verstehen, was denken sie dann?“
„Sie denken, weil sie ‚gerne‘ denken‘ und gar nicht anders können, da sie auf Denken konditioniert sind. Und sie bilden sich ein, dass einem Phänomen, das sich in Raum-Zeit entfaltet, plötzlich bewusst werden kann, was-es-ist – dadurch sei es ‚erwacht‘, ‚erleuchtet‘, ‚befreit‘ oder wie auch immer sie das nennen wollen.“

„Und ihm ist nicht bewusst geworden, was-es-ist?“ fragte das Kaninchen.
„Keinem Phänomen wurde das, ist das und wird das je bewusst – innerhalb der Raum-Zeit!“

„Warum sollte das so sein?“ fragte das Kaninchen verdutzt.
„Weil nur was-es-ist sich dessen bewusst werden kann, was es ist – freilich über den Weg als Phänomen!“ antwortete die Eule und fixierte das Kaninchen durchdringend und mit leuchtenden Augen. „Kannst du nicht einsehen, dass das zwangsläufig so sein muss!“

„Was bedeutet dann ‚erleuchtet sein‘?“ fragte das Kaninchen.
„Natürlich sein was-du-bist,“ erwiderte die Eule.

„Aber was ist das?“ beharrte das Kaninchen.
„Es ist nicht ‚etwas‘, kein Sache, „antwortete die Eule. „Was sollte es für dich geben, das du sein könntest?“

„Und wer könnte da sein, um es zu haben?“ fügte das Kaninchen spontan hinzu. „Doch was kann es dann tun?“ fragte es ebenso eilig und wie beschämt.
„Tun?“ antwortete die Eule in aller Ruhe. „Es kann sagen, was du gerade gesagt hast, ohne darüber nachzudenken!“

„Also das war …?“ überlegte das Kaninchen.
„Es war da,“ stellte die Eule fest, „doch natürlich nicht als Worte oder als Sprechen.“

„Also, was war es denn?“ wollte das Kaninchen wissen und wackelte mit den Ohren.
„Ich war es,“ klackte die Eule, schloss die Augen und drehte seinen Kopf mit entschiedenem Schwung zur Seite.

23 – Kopf und Zahl

„Pass auf deinen Kopf auf!“ warnte das Kaninchen, als über der Eule ein Ast zu brechen begann.
„Ich habe keinen Kopf,“ sagte diese mit Entschiedenheit.

„Keinen?“ fragte das Kaninchen und sah ihn an.
„Warum siehst du auf das, was doch nur scheinbar in deinem dafür zuständigen Bewusstsein existiert?“ erwiderte die Eule, „das ist ausschließlich phänomenal und eine Vorstellung.“

„Dann bist du für dich selbst ohne Kopf?“ fragte das Kaninchen.
„Wie auch du – wenn du nur richtig hinsehen würdest,“ antwortete die Eule geduldig.

„Sieht so aus, tatsächlich,“ stimmte das Kaninchen zu. „Wie funktioniert das?“
„Tut es nicht,“ erwiderte die Eule. „Ich bin die Abwesenheit meines Kopfes, und darin ist all das!“ fügte sie überzeugt hinzu.

„Weiß das sonst noch jemand außer uns?“ fragte das Kaninchen und knabberte nachdenklich an einem Bohnenstängel.
„Ein weiser Zweibeiner in England hat es sogar hinbekommen, es zu lehren,“ sagte die Eule.

„Und, glauben ihm die Leute?“ fragte das Kaninchen und hob ein Ohr.
„Sie sind zu sehr konditioniert,“ antwortete die Eule, „doch viele haben es verstanden. Es ist ein direkter Weg zum Verständnis, auch die alten Weisen kannten ihn, doch in erster Hinsicht ist es eine Erfahrung.“

„Und was ist mit dem Rest unseres Körpers – abgesehen von unseren Köpfen?“ fragte das Kaninchen versonnen.
„Ganz wie sonst auch: Erscheinungen von Objekten im Geiste.“

„Doch dann sind wir ja frei?“ hüpfte das Kaninchen.
„Ich war niemals gebunden,“ rief die Eule mit Bestimmtheit und legte ihre Flügel zusammen.

„Und ich habe auch keinen Hinterkopf?“ fragte das Kaninchen schelmisch.
„Du hast nichts,“ rief die Eule, drehte dem Kaninchen den Kopf zu und fixierte es mit seinen großen Augen. „Es gibt kein ‚du‘, das irgend ein ‚Ding‘ besitzen könnte, und es gibt kein ‚Ding‘ , das für irgend ein ‚du‘ zu besitzen wäre! Davon abgesehen ist es auf keinen Fall wert, sich über etwas Sorgen zu machen, das du glaubst zu besitzen.“

24 – Hier und dort

„Bin traurig über den armen alten Fasan!“ seufzte das Kaninchen, „er hatte einen so schönen Schwanz!“
„Was ist ihm passiert, dass du traurig bist?“ fragte die Eule.

„Wurde von einem dieser Zweibeiner erschossen.“
„Traurig für dich oder für ihn?“

„Traurig für ihn, doch mir tut er auch leid!“ erklärte das Kaninchen.
„Traurig für dich, und dumm – doch nicht für ihn.“

„Warum ist das nicht für uns beide traurig?“ fragte überrascht das Kaninchen.
„Welchen Unterschied könnte es zwischen ‚Leben‘ und ‚Sterben‘ geben?“

„Nun,“ sagte das Kaninchen, „‚Leben‘ bedeutet am Leben zu sein, und ‚Sterben‘ ist – nun – tot zu sein!“
„Ich kann da keinen Unterschied erkennen,“ erklärte die Eule, „ein Phänomen ist eine Abbildung im psychischen Apparat, und psychische Abbilder sind bloße Erscheinungen. Sie sind scheinbar gegenwärtig und scheinbar tatsächlich vorhanden, ob sie nun im Traum wahrgenommen werden, in Halluzinationen oder in dem, was ‚Alltag‘ genannt wird.“

„Ja, klar, aber er hatte einen so schönen Schwanz!“ seufzte das Kaninchen, „hast du den nicht bewundert?“
„Was wäre, wenn ja?“ beharrte die Eule. „Alle ‚du‘ sind psychische Erscheinungen, ich für dich ebenso, all das sind Objektivierungen, all das ist Etwas-anderes-als-ich.“

„Wenn du das sagst, doch ich denke, es bedeutet dir trotzdem etwas!“ beharrte das Kaninchen.
„Das sind nur Empfindungen in relativer Hinsicht,“ rief die Eule. „Kann es von Bedeutung sein, ob solche Erscheinungen scheinbar ‚lebendig‘ oder scheinbar ‚tot‘ sind?“

„Gefühlsmäßig kann es in der Tat so sein!“ ließ das Kaninchen nicht locker.
„Das ist Teil des Lebens-Traums,“ stellte die Eule fest. „Abgesehen davon, ich kann nicht sterben, nur das, was-ich-nicht-bin.“

„Kannst du dann leben, oder nur das, was-du-nicht-bist.“ fragte das Kaninchen.
„‚Leben‘ ist nur eine psychische Erscheinung, ausgedehnt in ‚Raum‘ und ‚Zeit‘,“ erklärte die Eule geduldig. „Ich kann weder ‚leben‘ noch ’sterben‘.

„Was kannst du dann tun?“ fragte das Kaninchen mutig.
„Überhaupt nichts,“ erwiderte die Eule, „und es gibt überhaupt nichts, was ‚getan‘ werden sollte. Ich BIN.“

„Hört sich nach Langeweile an!“ bemerkte dass Kaninchen betrübt.
„Auch das ist relativ und besteht nur im Kontrast zum Gegenteil,“ blieb die Eule beharrlich, „absolut gesehen haben Gegensätze und Widersprüche keinerlei Bedeutung, und aus diesem Grund existieren sie faktisch nicht.“

„Hört sich noch langweiliger an!“ wagte sich das Kaninchen vor.
„Das Relative kann kein Urteil über das Absolute fällen,“ erklärte die Eule kurzerhand, „denn das Absolute ist all das Relative, wenn es endet, relativ zu sein.“

„Also ist es nicht langweilig?“ fragte das Kaninchen.
„Es ist überhaupt nichts, sonst wäre es nicht absolut, sondern relativ!“ merkte die Eule an.

„Auch wenn es nicht langweilig ist, hört es sich doch ein wenig einsam an,“ grübelte das Kaninchen.
„Einsam!“ rief die Eule und schlug mit ihren Schwingen, „Füüür-was-füüür-wooo-füüür-weeen; wieso denn, wir sind doch alle HIER: das ist, was wir alle SIND!“

„Und, wo ist das?“ fragte das Kaninchen.
„Es ist dort, wo du BIST, alles, das du BIST und nichts weiter als das, was du BIST,“ stellte die Eule fest und heftete ihren durchdringenden Blick auf das Kaninchen. „Wie könntest du ‚leben‘ oder ’sterben‘, wenn du als ich BIST?“

25 – „Reinen Herzens“

„Kannst du erkennen, wer da kommt?“ fragte das Kaninchen mit spähendem Blick. „Mach deine Augen auf!“
„Nicht nötig,“ erwiderte die Eule, „ich sehe genauso gut, wenn sie geschlossen sind.“

„Und, wer ist es?“
„Es ist das Einhorn,“ antwortete die Eule beiläufig.

„Wer um alles in der Welt ist das!“
„Nicht von der Welt,“ murmelte die Eule, „ein Tier, das zu einem Glauben gehört.“

„Vertrauenswürdig?“ fragte das Kaninchen.
„Relativ gesehen,“ war die Antwort der Eule, „im Grunde ja. Nimmt seine Form an, wenn man ihm begegnet.“

„Und versteht es, wie es um die Dinge bestellt ist?“ fragte das Kaninchen zweifelnd.
„Ja,“ antwortete die Eule,“ zumindest prinzipiell, aber derzeit wird es falsch verstanden.“

„Wird es vernünftig reden?“
„Tut das überhaupt jemand?“ erwiderte die Eule. „Für deine Ohren – vermutlich nicht. Das hängt davon ab, wie es deine Fähigkeiten einschätzt.“

„Dann wäre es besser, wenn du die Unterhaltung führst,“ murmelte das Kaninchen zurückhaltend.
„Wahrscheinlich wird es mit dir über Gott reden wollen,“ vermutete die Eule.

„Kannst du nicht über Gott reden?“ fragte das Kaninchen.
„Reden? Ja, natürlich,“ erwiderte die Eule, „allerdings habe ich wirklich nichts darüber zu sagen, was ich bin.“

„Wieso nicht?“ fragte das Kaninchen.
„Weil es da rein gar nichts zu sagen gibt,“ erwiderte die Eule entschieden.

„Gott sei mit dir!“ sagte das Einhorn, neigte sein Horn zum Kaninchen, „und mit dir!“, indem es sein Horn auf die Eule richtete.
„Und mit dir,“ antwortete das Kaninchen höflich.
„Ich bin mir dir,“ meldete die Eule.

„Ah ja,“ sagte das Einhorn leicht verblüfft, „ganz recht, ja wirklich. Gott ist Liebe,“ verkündete es, „und wir sind seine Kinder.“
„Freut mich zu hören,“ sagte das Kaninchen, „Liebe ist etwas so Tröstliches!“
„‚Liebe‘ ist eine Vorstellung des Verstandes,“ stellte die Eule fest, „also muss auch ‚Gott‘ eine Vorstellung sein – wenn er ‚Liebe‘ ist. Hingegen ist das, was auch immer ‚Gott‘ sein könnte, zwangsläufig unfassbar.“

„Natürlich, so ist das,“ stimmte das Einhorn zu und schwang höflich sein Horn.
„Darüber hinaus betrachtet ist ‚Liebe‘ nur das Gegenteil von ‚Hass‘,“ sagte die Eule, „und damit ohne jede Bedeutung. Bitte benutze die Wörter richtig.“

„Freilich, freilich,“ sagte das Einhorn schmunzelnd. „Es ist eine Konvention, es ‚Liebe‘ zu nennen. Welches Wort würdest du vorziehen?“
„Das-einzig-Seiende,“ sagte die Eule, „das trifft es zwar nicht genau – kein Ausdruck kann das, da Worte immer relativ sind – doch führt es bei diesem Thema zu weniger Verwirrung.“

„Sicher,“ sagte das Einhorn, „wenn dir das lieber ist: ‚Gott ist Das-einzig-Seiende‘.“
„Ich habe keine Vorlieben,“ antwortete die Eule, „aber ‚Das-einzig-Seiende‘ ergibt wenigstens einen Sinn.“

„Tatsächlich wird in einigen heiligen Schriften gesagt: ‚Der einzige Beweis seiner Existenz ist Eins-Werden mit ihm.“ stimmte das Einhorn zu.
„Das ist aus den Upanischaden, wenn ich mich nicht irre?“ meinte die Eule.

„Ganz bestimmt,“ sagte das Einhorn, „oder, wie ein christlicher Weiser sagte, ‚Gott ist mir näher als ich mir selbst.'“
„Bin ich tatsächlich,“ stimmte die Eule zu.

„So lasst uns beten,“ schlug das Einhorn vor, „seid ihr einverstanden?“
„Ja, bin ich,“ sagte das Kaninchen, „was könnte erbaulicher sein? Könnte ich um etwas frischen, jungen Klee bitten, auch wenn es dafür nicht die Jahreszeit ist?“

„Nun,“ sagte das Einhorn zweifelnd, „bitten können wir!“
„Beten bedeutet nicht Bitten,“ klackerte die Eule, „sondern Verbundenheit!“

„Genau,“ stimmte das Einhorn zu, „wie recht du hast!“
„Schade,“ seufzte das Kaninchen enttäuscht, „dann lasst uns um Verbundenheit beten.“
„Verbundenheit ist nicht ein ‚Ding‘, um das man betet,“ erklärte die Eule, „Beten, richtiges Beten IST Verbundenheit.“

„Ja, in der Tat,“ stimmte das Einhorn zu, „das ist richtig. Schließlich ist das Himmelreich in uns, nicht wahr? Jesus selbst hat das gesagt!“
„Wie wahr, und wie tröstlich!“ bemerkte das Kaninchen.
„Was er damit meinte, ist wahr,“ meinte die Eule, „jedoch nicht so, wie es übersetzt wurde.“

„Warum?“ fragte das Kaninchen.
„Es gibt kein ‚außen, das ein ‚innen‘ besitzt,“ erklärte die Eule. „‚In uns‘ ist das, was das ‚Himmelreich‘ ist, nicht wo es ist. Das ist alles, was er sagte und alles, was er damit meinte. Wenn er sprach, dann auf eine Weise, die wir verstehen und nicht missverstehen sollten.“

„Ich kann dir nicht folgen,“ zögerte das Kaninchen.
„Der Herr hat nicht dein kostbares Inneres gemeint, mein liebes Kaninchen,“ erklärte die Eule, „Er wies darauf hin, dass das Himmelreich ein ‚Innen-Sein‘ als solches meint!“
„Richtig,“ stimmte das Einhorn höflich zu, „deine Auslegung ist bewundernswert, wirklich!“

„Himmelreich hört sich großartig an,“ unterbrach ihn das Kaninchen, „doch was ist mit dem Reich auf Erden? Betrifft uns das nicht viel unmittelbarer?“
„Ich glaube,“ sagte die Eule, „ich erinnere mich an die Warnung, dass ich nicht gekommen bin, um der Erde Frieden zu bringen, sondern das Schwert!“

„Das kann man wohl sagen!“ bemerkte das Kaninchen und ließ niedergeschlagen seine Ohren hängen.
„Aber er hat auch gesagt ‚Aus mir heraus kann ich nichts tun‘!“ warf das Einhorn ein.
„Eine überaus klare Aussage,“ gab die Eule zu verstehen. „Was kann denn irgendein Phänomen aus sich heraus tun? Das ist wirklich eine Binsenweisheit!“

„Aber wir sind es doch, die aus allem solch einen Schlamassel gemacht haben!“ protestierte das Einhorn.
„Es gibt kein ‚wir‘,“ gab die Eule trocken zurück, „um irgend etwas tun oder zu lassen, egal was!“

„Sicher, das ist so,“ gab das Einhorn zu, „doch der Herr hat auch gesagt. ‚Bevor Abraham war, BIN ich.'“
„Offensichtlich.“ erklärte die Eule. „Wie ein christlicher Weiser sagte, ‚Das Wort ‚ich‘ bezeichnet die reine Essenz Gottes.'“

„Er sagte auch ‚Ich bin DAS-WAS-ICH-BIN!“, fügte die Eule nach einer Weile hinzu. „Wurde je etwas Bedeutenderes gesagt?“

„Wirklich nicht,“ sagte das Einhorn mir warmer Stimme, „ich denke, wir sind alle der Meinung, nicht wahr, dass Religion das Größte ist?“
„Sie erfüllt uns mit solcher Freude,“ meinte das Kaninchen und seufzte betrübt. „Sollten wir nicht Gott segnend danken?“

„‚Gesegnet sind, die reinen Herzens sind, sie werden Gott schauen!'“ zitierte das Einhorn, „gilt das nicht für uns?“
„Vielen Dank,“ folgerte die Eule und verbeugte sich förmlich, „ihr werdet es, und tatsächlich würdet ihr es jetzt können, wenn eure ‚Herzen rein‘ wären.“
„Wie können denn ‚Herzen‘ unrein sein?“ fragte das Kaninchen und kratzte sich am Ohr.

„‚Herz‘ bezeichnet in den alten Sprachen gewöhnlich das, was wir heute ‚Geist‘ nennen.
„Und unser Geist ist nicht rein?“ fragte das Kaninchen weiter und schlug die Augen nieder.

„Das Wort ‚rein‘ bedeutet ‚frei von Beimischungen‘, ‚ungeteilt‘, ‚ganz‘, sonst nichts,“ erklärte die Eule mit Geduld, „doch ihr seid gespalten und deshalb ‚unrein‘.“
„Das ist also der Grund dafür, dass ich Gott nicht sehen kann?“ sinnierte das Kaninchen.

„‚Gott sehen‘ bedeutet ‚Gott sein, mit einem Geist, der ganz ist‘,“ insistierte die Eule, „daraus folgt: ‚Die ganz-sind-im-Geist werden Gott sein, und sie werden gesegnet sein‘, so ist es richtig gesagt. Nebenbei bemerkt, ‚ganz‘ bedeutet auch ‚heil‘, was gleichbedeutend ist mit ‚heilig‘ – was unser Freund hier vermutlich vorziehen würde.“
„Richtig,“ bestätigte das Einhorn, „heilig passt wirklich.“

„Dann meinst du …?“ setzte das das Kaninchen an.
„Das ist, was Gott ist,“ rief die Eule und hob ihre weiten Schwingen, „und nur Gott ist GANZ.“

26 – Metrisch gesehen

„Freundliche Wesen, diese gläubigen Tiere; mit ihnen ist es ganz einfach,“ bemerkte das Kaninchen.
„Emotional, affektiver Ansatz, langwierig und kompliziert,“ erklärte die Eule. „Nur die besonders Begabten können trotz ihrer Gefühle ihr eingebildetes ‚Selbst‘ loslassen.“

„Warum ist das so?“ fragte das Kaninchen.
„Sucht man Gott, wo Gott ist, ohne Gott zu sein, ist das ein objektivierender Zugang,“ sagte die Eule, „ein solch positiver Weg führt zu keinem Ziel.“

„Welcher Weg ist dann der beste?“ fragte das Kaninchen.
„Einen ‚besten‘ Weg gibt es nicht, antwortete die Eule, „es gibt nur ein Drumherum oder den direkten Weg!“

„Und der direkteste?“ fragte das Kaninchen begierig.
„Das hängt davon ab, wie konditioniert man ist,“ erwiderte die Eule, „es sind die Konditionierungen, die hinderlich sind.“

„Und, gibt es auch förderliche Konditionierungen …?“ beharrte das Kaninchen.
„Vielleicht die metrische Sicht,“ antwortete die Eule.

„Und was ist das?“ fragte das Kaninchen überrascht.
„Ich bin die alles einschließende Dimension,“ rief die Eule, „rechtwinklig zu den anderen Dimensionen. Das ist doch ebenso einfach wie offensichtlich!“

„Und was bin ich?“ wagte sich das Kaninchen schüchtern vor.
„Alle ‚du‘ sind Produkte meiner drei untergeordneten Messrichtungen, – Länge, Breite und Höhe. Sie bilden in Raum-Zeit ausgedehntes Volumen, „antwortete die Eule, „woraus sich das phänomenale Universum in meiner Schau zusammensetzt.“

„Wirklich?“ rief das Kaninchen und hüpfte verblüfft. „Wie seltsam!“
„Offensichtlich – und nicht seltsam, „antwortete die Eule, „was sonst könnten ‚du’s denn sein?“

„Aber von welchem Ort aus erstrecken sie sich?“
„Natürlich von Hier aus,“ erklärte die Eule, „immer von Hier, Dies und Jetzt – von dem allgegenwärtigen Zentrum.“

„Aber wo ist das allgegenwärtige Zentrum, und woraus besteht es?“ fragte das Kaninchen.
„Überall,“ erklärte die Eule mit Geduld, „es gibt kein ‚wo‘, wo es nicht ist.“

„Wie ist das möglich?“ fragte das Kaninchen und kratzte sich am Ohr.
Die Eule fuhr fort: „Natürlich deshalb, weil es kein ‚wo‘ gibt, wo es sein könnte, und es gibt auch kein ‚Ding‘, von dem es das Zentrum sein könnte.“

„Und dennoch existiert es?“
„Es existiert, da das Zentrum der Unendlichkeit allgegenwärtig und hier sein muss; und das Zentrum der Zeitlosigkeit ist auf ewig jetzt. Das Universum hat so viele Zentren, wie es Wesen gibt, die es wahrnehmen.“

„Doch das alles sind ja nur Maße,“ wandte das Kaninchen ein, „aus denen sich Formen und scheinbare ‚Dinge‘ entfalten – was ist ihr Inneres, was aktiviert sie?“
„Ich natürlich,“ schnaubte die Eule, „Ich handle: was sonst gibt es, das irgend etwas sein oder tun könnte?“

„Und wo bin ich in Bezug auf all das?“ fragte das Kaninchen verblüfft.
„Warum fragst du mich?“ meinte die Eule, „überhaupt – wer fragt da?“

„Ich bin das natürlich,“ erklärte das Kaninchen, etwas empört.
„Genau!“ erwiderte die Eule, „Recht hast du.“

„Aber ich sagte ‚ich bin das‘ und nicht ‚du bist das““ stellte das Kaninchen klar und zwirbelte eine Butterblume in seinem Maul.“
„Wie ich schon sagte, „klapperte die Eule mit dem Schnabel, „ich bin, wer auch immer das sagt.“

„Aber wieso ist das so?“ fragte das Kaninchen verwirrt.
„Weil“ sagte die Eule feierlich „immer, unter allen denkbaren Umständen und überall der Fragende die Antwort ist!“

„In diesem Fall bin ich …. ich auch die Antwort?“ murmelte das Kaninchen, machte große Augen und ließ die Butterblume fallen.
„Wie ich schon sagte,“ wiederholte die Eule in leicht mattem Ton, schloss die Augen und drehte ihren Kopf auf die andere Seite. „Es ist spät – Guten Morgen!“

27 – Subjektives Wiedereinfinden

„Guten Tag!“ sagte das Kaninchen höflich.
„Muh,“ erwiderte die Kuh und mampfte ein Maul voll Gras.

„Wunderbar weiches Gras hier überall,“ fügte das Kaninchen hinzu, „ich hoffe, dir schmeckt es!“
„Muh,“ stimmte die Kuh zu, ohne aufzublicken.

„Darf ich dich etwas fragen?“ sagte das Kaninchen, etwas eingeschüchtert. „Ich habe schon eine Weile auf diese Gelegenheit gewartet.“
„Muh,“ willigte die Kuh gleichgültig ein.

„Ich fürchte, es ist eine eher persönliche Frage, aber – nun – bist du erleuchtet?“
„Muh,“ war die zustimmende Antwort.

„Wie ist das passiert, wenn ich fragen darf?“
„Muh,“ antwortete die Kuh, schüttelte zweifelnd ihren Kopf, so dass die Kuhglocke erklang.

„Mein Freund, die Eule da oben, sagt, dass ihr Kühe das oft seid,“ erklärte das Kaninchen.
„Muh,“ erwiderte die Kuh gleichgültig.

„Wenn sie wach wäre, könnten wir sie fragen, doch zu dieser Zeit schläft sie.“
„Ich bin immer wach,“ schnaubte die Eule, „ich schließe nur meine Augen, weil ich tagsüber zu hell scheine.“

„Wir haben Besuch,“ verkündete das Kaninchen, „eine Kuh, und deine Anwesenheit wird benötigt.“
„Kühe sind heilige Mädchen,“ antwortete die Eule. „Und ich bin immer anwesend als kein wie auch immer geartetes Ding, meine Erscheinung beruht nur auf den Sinneseindrücken, so wie sie von wie auch immer gearteten Lebewesen wahrgenommen wird. Tatsächlich bin ich als meine Abwesenheit immer anwesend.“

„Hörst du das?“ fragte das Kaninchen die Kuh, „sie ist stets munter, auf die eine oder andere Weise, und sie lässt dich herzlich grüßen.“
„Muh,“ sagte die Kuh, biss ein weiteres Büschel Gras ab und blickte auf.

„Sie stimmt zu, dass sie erleuchtet ist,“ erklärte das Kaninchen, „aber sie weiß nicht genau, wie und wann das passiert ist.“
„Es ist nicht passiert,“ schnaubte die Eule, „und da ist niemand, dem das geschehen könnte.“

„Wieso das?“ fragte das Kaninchen verwirrt.
„Nur eine Wesenheit könnte erleuchtet werden,“ zeigte die Eule auf, „und die gibt es nicht. Ist das nicht auch deine Erfahrung?“ fragte sie die Kuh.
„Muh,“ stimmte diese zu, glücklich mampfend.

„Doch wie kann das sein?“ fragte das Kaninchen.
„Ein berühmter indischer Weiser unserer Tage sagte stets, dass das, was man unklar als ‚Einsicht‘ bezeichnet, schon da ist, und das man keinen Versuch machen sollte, sie zu erlangen – weil sie nichts ist, das man erlangen könnte.“

„Und, glaubte man ihm?“ fragte das Kaninchen.
„Anscheinend nicht,“ bemerkte die Eule. „Mir wurde gesagt, dass jeder daran interessierte phänomenale Zweibeiner Jahre lang darüber schreibt, lehrt oder liest, ‚meditiert‘ und übt und weiß-der-Himmel was noch alles tut, um sie zu erlangen.“

„Hört sich dämlich an!“ wagte das Kaninchen als Bemerkung. „Meinst du nicht auch?“ fragte es die Kuh.
„Muh,“ antwortete die Kuh, nickte mit dem Kopf und brachte damit ihre Glocke heftig zum Klingen.

„Das machen nur die Zweibeiner,“ stellte die Eule klar. „Derselbe indische Weise sagte, dass ‚Einsicht‘ oder ‚Befreiung‘, wie es auch genannt wird, darin besteht, ‚die Illusion loszuwerden, dass man nicht frei ist‘.“
„Und nicht einmal das hat sie überzeugt?“ fragte das Kaninchen.

„Sie wollten gar nicht überzeugt werden,“ erklärte die Eule, „das hätte sie ja ihres kostbaren ‚Selbst‘ beraubt.“
„Vielleicht wären sie bereiter gewesen, den Weisen aus alter Zeit zuzuhören?“ meinte das Kaninchen.

„Ein Chinese alter Zeit hat gesagt, ‚da ihr niemals gebunden wart, gibt es keinen Anlass, Befreiung zu suchen‘. Könnte man das je einfacher und kraftvoller ausdrücken?“
„Kaum,“ sagte dass Kaninchen nachdenklich. „“Meinst du nicht auch?“ fragte es die Kuh.
„Muh,“ pflichtete die Kuh bei, und rupfte ein großes Grasbüschel.

„Ein anderer Chinese, einer der bedeutendsten, sagte: ‚Plötzlich zu der Tatsache zu erwachen, dass dein eigener Geist Buddha ist, dass es nichts zu erreichen gibt und nicht eine einzige Tat zu vollbringen ist – das ist der Höchste Weg, das bedeutet, wirklich ein Buddha zu sein‘,“ fügte die Eule hinzu.
„Wirklich klar,“ kommentierte das Kaninchen, „doch was ist mit der Sache, die ‚Befreiung‘ genannt wird?“

„Genau dasselbe,“ stelle die Eule fest. „Oder, wie es ein anderer der alten Weisen ausdrückte, ‚Befreiung‘ ist nichts als die Befreiung von der Vorstellung, dass es irgend jemand gäbe, der befreit werden könnte.“
„Was ist es nach alledem, wonach sie suchen?“ fragte das Kaninchen nachdenklich.

„Sag du es, zur Abwechslung, und wir hören, was dein Freund dazu meint,“ schlug die Eule freundlich vor.
„Also,“ sagte das Kaninchen und barg seinen Kopf zwischen seinen Vorderpfoten, „kann es nicht so sein, dass, wenn ein Phänomen sich dessen bewusst wird, was es ist – es dann ‚erwacht‘ ist oder ‚befreit‘ oder „erleuchtet‘?“
„Muh,“ schüttelte die Kuh ihren Kopf, und die Glocke tönte laut.

„Tut mir leid, wenn ich daneben lag, „murmelte das Kaninchen bedrückt.
„Für ein Kaninchen war das gar nicht schlecht,“ sagte die Eule freundlich, „aber kein Phänomen tut das oder könnte das je.“

„Sorry,“ sagte das Kaninchen demütig, „und wie ist es richtig?“
„Das, was das Phänomen nicht-phänomenal ist, wird sich bewusst, was-es-ist durch das Phänomen,“ erklärte die Eule. „Frag deinen Freund hier.“

„Muh,“ sagte die Kuh, und ihre Glocke ertönte mehrmals, als sie nickte, sich abwandte und ein großes Büschel Gras abbiss.

28 – Wärmestrahlung

„Ein übler Geruch heute Abend,“ sagte das Kaninchen, „heiß und faulig, was kann das sein?“
„Schwefel, glaube ich,“ antwortete die Eule, „wahrscheinlich der Drache.“

„Bei dir da oben mag es ja sicher sein,“ sagte das Kaninchen, „aber hier unten ist es gefährlich!“
„Überhaupt nicht,“ antwortete die Eule, „ein westlicher Aberglaube. Drachen sind in der Regel freundliche Tiere, wie alle Menschen des Ostens wissen. Pflücke ein paar Veilchen! Drachen sind gute Kerle.“

„Du musst es ja wissen,“ zweifelte das Kaninchen, „für mein Gefühl ist das ein wenig zu heiß.“

„Guten Morgen!“ sagte die Eule,“ freut mich, dich zu sehen. Wie geht es dir?“
„Es geht!“ antwortete der Drache. „Bin in dieser Gegend nicht gern gesehen. Anscheinend haben die Menschen im Westen Angst vor mir, obwohl ich stets versuche, ihnen etwas Gutes zu tun, wenn ich kann.“

„Ich weiß,“ sagte die Eule mitfühlend, „kaltherzige Kundschaft scheut oft – Herzlichkeit.“
„Da kann man nichts machen,“ seufzte der Drache, „ich habe ein weiches Herz, was also soll ich tun?“

„Vermeide, es zu sehr zu zeigen,“ riet die Eule. „Behalte deine Gefühle für dich, das ist im Westen üblich. Aber hier bist du jederzeit willkommen.“
„Ja … willkommen,“ fügte das Kaninchen mit erstickter Stimme hinzu.

„Ich tue mein Bestes, aber Ritter in Rüstungen greifen mich mit ihren Speeren an, als wäre ich ein Feind.“
„Zu schade! Und typische Dummheit,“ war die Eule mitfühlend, „sie verstehen nicht einmal, dass sie, wenn sie den ‚Teufel‘ töten, zwangsläufig auch ‚Gott‘ töten.“

„Wie das?“ fragte das Kaninchen überrascht.
„Voneinander abhängige Begriffe,“ erwiderte die Eule, „wie könnte das eine irgend etwas sein ohne das andere? Völlig bedeutungslos.“

„Na und?“ fragte das Kaninchen.
„Beides oder keins von beiden,“ schnappte die Eule. „Unsinn, alles relativ! Es ist schwer, solchen Burschen die Wahrheit verständlich zu machen.“

„Die armen Kerle denken, dass ich der Geist von dem bin, was sie ‚das Böse‘ nennen – eigentlich ‚der Teufel‘ – nur weil ich warmherzig bin, was für sie ‚heiß‘ ist. Doch ich muss es versuchen,“ erklärte der Drache, „das ist mein Daseinszweck.“
„Ich bin sicher, dass du oft Erfolg hast,“ versicherte das Kaninchen und biss ein Maul voll Thymian ab.

„Im Osten schon,“ stimmte der Drache zu, „da durchschauen eine Menge Menschen den Unsinn der Relativität.“
„Aber sind denn ‚gut‘ und ‚böse‘ dasselbe?“ fragte das Kaninchen überrascht.

„Wenn beides abwesend ist, natürlich,“ kommentierte die Eule.
„Welch eine Freude, hier Leute zu finden, die verstehen,“ seufzte der Drache und äscherte damit einen wilden Rosenbusch ein.

„Aber was ist ihre Abwesenheit?“ fragte das Kaninchen.
„Die Abwesenheit einer jeglichen relativen oder scheinbaren Wesenheit, die sich einen Unterschied vorstellen könnte,“ erklärte der Drache.

„Es ist immer ihre Pseudo-Wesenheit,“ unterbrach die Eule, „das immer währende Hindernis, das sie in scheinbarer Gebundenheit hält.“
„Und wie können wir uns selbst davon entledigen?“ fragte das Kaninchen und legte sich hinter einem Holzscheit zur Ruhe.

„‚Wir‘ nicht,“ erklärte die Eule, „es gibt kein ‚wir‘, das sich von etwas ‚entledigt‘, und kein ‚Selbst‘, das von etwas ‚entledigt‘ wird.“
„Und wer tut es dann?“ fragte das Kaninchen verwundert.

„Ich tue das,“ behauptete die Eule entschieden. „Frag deinen Freund hier.“
„Ja wirklich, wie du sagst, ich tue das,“ stimmte der Drache zu, holte seine ‚Perle‘ hervor und setzte einen Laubhaufen in Brand.

„Aber … aber,“ wagte sich das Kaninchen vor und hoppelte hinter den Drachen, „alles was wir sagen, wird von einem ‚ich‘ gesagt!“
„Das ist das Problem,“ erklärte die Eule durch den Rauch hindurch, „immer bleibt ein ‚Ich‘, das denkt.“

„Da hast du wirklich Recht!“ stimmte der Drache zu und ließ seine ‚Perle‘ den Baumstamm umkreisen. „Solange es ein ‚ich‘ gibt, das denkt, kann dabei nur Unsinn herauskommen.“
„Aber warum ist das so?“ fragte das Kaninchen und hoppelte in seiner Deckung herum.

„Weil Denken relativ ist, und die Wahrheit absolut,“ erklärte die Eule kurzerhand.
„Und was kann man da tun?“ schnaufte das Kaninchen und biss in ein grünes Salbeiblatt.

„Es gibt nichts zu ‚tun‘,“ erwiderte die Eule und klackte mit dem Schnabel, „es gibt nur ein Tun – das tue ich.“
„Aber wie bekomme ich das hin?“ fragte das Kaninchen hustend.

„Mein Freund,“ sprach die Eule zum Drachen, „sag ihm, es sei ein prima Kaninchen, und manchmal verstehe es. Das mag an deiner Wärmestrahlung liegen.“
„Du hast es eben gesagt,“ mein liebes Kaninchen,“ sagte der Drache. „‚Ich‘ tue es‘: Das ist das ganze Tun.“

„Aber es steckt doch ein ‚ich‘ in der Frage ‚Wie bekomme ich das hin?‘,“ bemerkte das Kaninchen.
„Ganz recht! Falls du merkst, dass noch ‚ein Ich‘ hinter dem steht, was du sagst, dann weißt du, dass sozusagen noch Gefahr im Busch ist.“ stellte der Drache fest.

„Und was soll ich tun?“
„Lass ihn abbrennen!“ sagte der Drache einfach.

„Aber wer soll das tun?“
„Ich mache das,“ sagte der Drache, „darin liegt meine Aufgabe, meine große Aufgabe.“

„Und wenn du das für mich tust …?“ fragte das Kaninchen.
„Tust du es als ich,“ erklärte der Drache.

„Aber wie macht man das?“ fragte das Kaninchen überrascht.
„Ich mache alles,“ stellte der Drache fest, „ich mache es einfach – und die Phantasien über Objekte verschwinden.“

„Danke, vielen Dank,“ hustete das Kaninchen, „ich mache das!“ und verschwand in seinem Bau.

„Es wird verstehen,“ verkündete der Drache und holte seine ‚Perle‘ aus der Umlaufbahn zurück. „Mit deiner Hilfe wird es erkennen, was es ist.“
„Dein Besuch war sehr … zündend,“ sagte die Eule höflich, „meinem Kaninchen ist es warm ums Herz geworden – eine wahrhaftige Glut; auch mich hat deine Anwesenheit gewärmt.“

„Gern geschehen,“ erwiderte der Drache. „Es macht wirklich Freude, Wärme in das Leben der Menschen im Westen zu bringen!“ fügte er hinzu und schleuderte seine ‚Perle‘ in die aufkommende Dunkelheit, sie war wie ein Feuerball am Himmel.

29 – Unsterblichkeit

„Heute Abend wird es spät mit dem Schlafen,“ sagte das Kaninchen, „wir haben Vollmond.“
„Spät gibt es nicht für mich,“ antwortete die Eule, „‚Zeit‘ ist das, was ich-bin.“

„Relativ gesehen?“ kommentierte das Kaninchen.
„Absolute ‚Zeit‘ wird ‚Nicht-Zeitlichkeit‘ genannt, „und dies, was-ich-bin.“

„Also deshalb kannst du nicht spät dran sein?“ pflichtete das Kaninchen bei. „Doch phänomenal gesehen …?“
„Aus phänomenaler Sicht bin ich es schuldig, mich mit meiner Noumenalität zu vereinigen,“ antwortete die Eule.

„Du meinst doch damit nicht, dass du mich verlässt?“ fragte das Kaninchen und ließ vor Schreck seine Butterblume fallen.
„Dich verlassen, Kaninchen?“ rief die Eule. „Wohin denkst du denn, könnte ich gehen?“

„Keine Ahnung,“ antwortete das Kaninchen erleichtert, „doch ohne dich wäre mein Leben trauriger.“
„Danke, mein liebes Kaninchen,“ sagte die Eule, „aber weißt du, mein phänomenales Verschwinden kann ‚uns‘ nicht wirklich trennen.“

„Aber musst du verschwinden?“ fragte tief betroffen das Kaninchen.
„Da jede Erscheinung vom Konzept der Raum-Zeit abhängig ist, muss sie auch wieder verschwinden,“ erinnerte die Eule.

„Ja, aber ich hoffe doch, nicht jetzt!“ rief das Kaninchen aus.
„Der Moment für ‚meine Zeit‘ ist fast gekommen,“ sagte die Eule.

„Du musst verschwinden?“ murmelte das Kaninchen bestürzt.
„So wie dein ‚du‘ gerade stattfindet,“ erklärte die Eule, „aber, als ich kann es das nicht.“

„Aber wie soll ich das verstehen?“ kratzte sich das Kaninchen am Ohr.
„Da ich noch nie erschienen bin, wie kann ich da verschwinden,“ erwiderte sie mit sanfter Stimme.

„Aber als Phänomen …?“ murmelte das Kaninchen.
Das-was-ich-bin ist jedes Ding, das in Raum und Zeit erscheint und verschwindet,“ erklärte die Eule, „wodurch mir bewusst wird, was-ich-bin.“

„Also, was bist du dann als ich?“ fragte das Kaninchen.
„Ich besitze keine persönliche Existenz als Ich,“ fuhr die Eule fort, „denn Existenz ist begrenzt – und ich bin das nicht.“

„Du bist als Ich unbegrenzt … ? Nun ja,“ murmelte das Kaninchen, „aber existieren tust du dennoch?“
Existenz bedeutet objektiv vorhanden,“ fuhr die Eule fort, „und ich kann das nicht sein.“

„Du bist als ‚ich‘ nicht objektiv vorhanden … ,“ sann das Kaninchen vor sich hin.
Existenz ist relativ,“ fügte die Eule hinzu, „ich hingegen bin absolut.“

„Relativ also auch nicht … ,“ grübelte das Kaninchen weiter. „Also, was bleibt für dich zu sein? Wer bist du als Ich?“
„Wie kann es außer Ich ein Ich-Wesen geben?“ rief die Eule und hob ihre Schwingen. „Ich, der jedes Ding ist und kein Ding bin … ich, der nicht einmal als Ich existieren kann!“ endete sie ekstatisch.

„Dann also, wo bist du als Ich,“ fragte das Kaninchen hingerissen, die Ohren aufgestellt.
Im Schweigen des Geistes BIN ICH!“ endete sie mit Nachdruck, breitete ihre Flügel aus und schwang sich gemächlich von ihrem Ast.

Mit starkem Flügelschlag erhob sie sich majestätisch über die Bäume und entschwand, weite Kreise ziehend, in Richtung Vollmond.
Das Kaninchen schaute ihr nach, mit stockendem Atem und mit einer Mischung aus Ehrfurcht und Schrecken, als sie höher und höher stieg und schließlich nur noch als Fleck hoch über ihm zu erkennen war.
Dann, ganz plötzlich, falteten sich die großen Schwingen zusammen und eine schwarze Masse schoss erdwärts, landete mit einem dumpfen Schlag und lag in einem flatternden Haufen Federn vor den Beinen des Kaninchens.

Das verharrte eine lange Zeit wie in Trance. Da erschallte ein laut schallendes Gelächter aus dem Wald, und das Bewusstsein kehrte zurück.

„Mit deiner Erlaubnis, mein liebes Kaninchen,“ sagte die Hyäne, „ab jetzt ist das meine Angelegenheit, nicht deine!“
„Gib dem Kaiser, was des Kaisers ist … murmelte das Kaninchen und wandte sich der Hyäne zu, „und was Gottes ist, ist meins.“

„Und was ist das?“ fragte die Hyäne verlegen.
„Wenn du das wissen willst,“ sagte das Kaninchen mit bohrendem Blick, „dann müsstest du wissen, dass du bist, was ICH BIN.“

In Memoriam

Ich gehöre nicht dem Raum an, deshalb kenne ich kein „Wo“,
Ich gehöre nicht der Zeit an, deshalb kenne ich kein „Wann“,
Was Raum-Zeit ist, bin ich, und nichts, was endlich ist, gehört zu mir.

Nirgendwo zu finden, bin ich jeder Ort; überall gegenwärtig, bin ich an keinem Ort,
Denn ich bin weder irgendwo noch nirgendwo,
Weder innerhalb noch außerhalb irgend eines Objekts oder keines Objekts,
Weder über noch unter, weder vor oder nach irgend einem Objekt oder keinem Objekt.

Ich gehöre nicht zu dem, was wahrzunehmen oder zu wissen ist,
Denn ich bin Wahrnehmen und Wissen,

Ich bin nicht jenseits von hierhin oder dorthin, innen oder außen,
Weil auch das ist, was ich bin.

Ich bin nicht im Raum ausgedehnt, ich bin nicht in Dauer geworden.
All das sind meine Manifestationen, all das sind begriffliche Vorstellungen von dem, was ich bin.
Denn es ist meine Abwesenheit, meine absolute Abwesenheit, die zu Vorstellungen führt.

Ich bin allgegenwärtig, sowohl als Abwesenheit als auch als Anwesenheit,
Denn als Ich,
Bin ich weder anwesend noch abwesend.
Ich kann nicht als ein Objekt im Bewusstsein erfahren werden,
Denn ich bin das, was erfährt, und sogar der ‚Geist‘ ist mein Objekt.

WEI WU WEI − UNWORLDLY WISE

[Englisches OriginalDeutsche Übersetzung]

Wie kannst du überhaupt hoffen, der Wahrheit durch Worte näher zu kommen? Vollständiges Verständnis kann nur durch ein unaussprechliches Geheimnis zu dir kommen. Der Zugang dazu heißt das Tor der Stille jenseits aller Aktivität. Wenn Du verstehen willst, wisse, dass ein plötzliches Verständnis entsteht, wenn der Geist von jeglichem Durcheinander konzeptioneller und diskriminierender Gedankenaktivitäten befreit wurde. Jene, die die Wahrheit durch Intellekt und Lernen suchen, entfernen sich immer weiter davon. Erst wenn alle Gedanken aufgegeben wurden, nach etwas zu suchen, erst wenn der Geist bewegungslos wie Holz oder Stein ist, wirst Du auf dem richtigen Weg zu diesem Tor sein.

How can you even hope to approach truth through words? …full understanding can come to you only through an inexpressible mystery. The approach to it is called the Gateway of Stillness beyond all Activity. If you wish to understand, know that a sudden comprehension comes when the mind has been purged of all clutter of conceptual and discriminatory thought-activity. Those who seek the truth by means of intellect and learning only get further and further away from it. Not ‚til you abandon all thoughts of seeking for something, not ‚til your mind is motionless as wood or stone. will you be on the right road to the Gate.

Huang-Po