Spielen lassen

Wenn ich das richtig sehe, dann gibt es von keinem Menschen auf dieser Welt eine exakte Kopie. Ein anderer mag ähnlich aussehen aber ganz anders fühlen und agieren. Wenn das richtig ist, wäre es völlig falsch, einem anderen Menschen so zu folgen, dass man quasi zu einer Kopie von ihm wird. Statt dessen geht man ein Stück des Weges mit ihm, um das Wichtigste zu lernen und wenn es sich so ergibt, dann geht man weiter. Damit erhält man sich seine Einzigartigkeit.

Damit meine ich nicht, dass das Ego sich ausmalt, etwas Besonderes zu sein – sondern ich sehe das aus der Sicht des Einen Bewusstseins. Denn, wenn das so ist, dass jeder einzigartig ist, dann ist es mit Sicherheit nicht gewollt, aus dieser ungeheuren Vielfalt eine kleinere Vielfalt zu machen, im Extremfall alle gleich zu machen – sondern die Einzigartigkeit jedes Menschen zu betonen und auszubauen.

Das lässt sich ganz einfach umsetzen, indem man nach innen lauscht und fühlt, was geschehen möchte. Und aus den Optionen, die sich anbieten, lässt man die zu, die man als „am passendsten“ erspürt. Damit baut man keinen Eigenwillen auf, sondern man „lässt geschehen„. Mir fällt gerade ein, dass das in einem Buch, das ich schon öfter las, sehr gut beschrieben ist: Die Legende von Bagger Vance.

Darin geht es um ein legendäres Golfturnier und es wird unter anderem beschrieben, wie einer der Golfer zum Schlag ausholt, dabei mit seinem Fühlen intuitiv den passendsten Schlag auswählt, dann alle anderen ausschließt und den Einen passenden Schlag geschehen lässt – und mit diesem Einen Schlag aus einhundert Metern Entfernung einlocht. Dann gibt es keinen Handelnden, sondern nur ein Handeln, dass vom Bewusstsein intuitiv ausgewählt und dann zugelassen wird. Und meistens weiß der „den Schlag geschehen Lassende“ schon beim Schlagen, dass der Ball ins Loch gehen wird – weil er das „Geschehen Wollende“ zugelassen hat. Genau so meine ich das.

Wer sich selbst so handeln lässt, der ergibt sich in den ständig sich ereignenden Ablauf der Welt und seines eigenen Lebens und trägt dazu bei, dass die Welt und sein Leben mit jeder von selbst geschehenden Handlung ein Stück harmonischer wird. Wir haben offenbar die Wahl, so zu leben oder genau das Gegenteil zu tun und zu versuchen, „die Sache selbst in die Hand zu nehmen„.

Wenn man aber bedenkt, dass sowohl die Welt, als auch jeder Körper, aus Bewusstsein und Lebenskraft geformte Strukturen sind, die in dem Einen Bewusstsein auftauchen, sich bewegen und wieder verschwinden – dann wird unmittelbar klar, dass das alles ein Spiel des Einen Bewusstseins ist und jede Figur nur eine Spielfigur des Einen ist. Und da der Eine einen umfassenden Überblick über alles hat, lässt man am besten zu, dass das Spiel durch einen selbst so gespielt wird, wie dieser Eine Spielende das will.

Ansonsten könnte es einem passieren, dass man mit irgendeiner Handlung den großen Spielablauf stört und dass dann die eigenen, eigenwilligen Spielzüge zu einem Schaden an dem Gesamtspiel führen – meistens im Umfeld der eigenen Spielfigur. Dann wird zum Beispiel das eigene Auto zerstört, man verliert Geld, die Gesundheit wird ruiniert oder…

Das kann man sich vorstellen, wie wenn vier Erwachsene Mensch-ärgere-dich-nicht spielen. Das Spiel hat eindeutig definierte Regeln und wenn sich alle daran halten, geht auch nichts schief. Aber dann geht die Türe auf und ein zweijähriges Kind kommt herein, grabscht sich eine oder mehrere Figuren, versetzt sie oder wirft sie vom Feld, damit ist das Spiel ruiniert und zur Strafe bekommt das Kind Schimpfe, einen Klaps auf die Hand oder muss sofort ins Bett.

Jeder von uns ist ein zweijähriges Kind…

Und was machen solche Kinder gerne? Sie versuchen ihren Willen durchzusetzen, wollen alles auf ihre Art selbst machen, stampfen auf den Boden, werfen sich hin und schreien – und am Ende passiert doch das, was die Eltern wollen…

In unserem Fall als scheinbar Erwachsene, ist es natürlich so, dass kaum einer akzeptieren wird, im kosmischen Maßstab als zweijähriges Kind bezeichnet zu werden, das gerade erst angefangen hat, zu laufen und zu sprechen und das von wirklichem Begreifen noch Lichtjahre entfernt ist. Ich selbst habe gerade erst angefangen zu begreifen, dass ich ein zweijähriges Kind bin, das momentan lernen muss, das Spiel den Erwachsenen zu überlassen…