Was Selbsterkenntnis nicht ist

Selbsterkenntnis ist ganz sicher nicht, in der Welt spontan zu handeln. Solange einer in sich nicht die wirkliche Dimension entdeckt, aktiviert, verkörpert und higegeben hat, sitzt er einem Riesenschwindel auf, der ihm von seinem eigenen Verstand eingebrockt wurde. Wer an der richtigen Stelle sitzt und sich entwickelt, muss als Nebenprodukt zwingend den Zustand des „stillen Verstandes“ erleben. Das ist ganz einfach die perfekte Kontrolle des Verstandes, der Denkvorgänge, inklusive der Denkrichtung und des Denkinhaltes und den willentlichen Beginn und das Ende des Denkens. Das ist aber nur eine Voraussetzung, um noch viel tiefer in sich vorzustoßen – sozusagen die Bohrplattform.

Nur mit einer ultrastabilen Bohrplattform kann man in den Boden oder den Meeresgrund vorstoßen und immer tiefer ergründen, was da ist und was nicht. Eine instabile Plattform würde dazu führen, dass der Bohrvorgang nicht durchgeführt werden kann – genauso wie ein mit Gedanken gefüllter Mensch unmöglich tief in sich schürfen kann. In beiden Fällen muss die Plattform sicher und stabil sein, ohne Vibrationen und Fluktuationen.

Wer das nicht glaubt, versuche einmal, sich für eine Minute auf den Atem zu konzentrieren. Jeder, der keine Gedankenkontrolle beherrscht, wird innerhalb von Sekunden merken, dass es völlig unmöglich ist, sich für sechzig Sekunden ununterbrochen und ohne jede gedankliche Störung auf den Atem oder ein anderes Objekt zu konzentrieren. Und wer das nicht kann, der kann auch nicht richtig meditieren, die inneren Energien erkennen, verkörpern, leiten und hingeben. Der stille Verstand ist die benötigte stabile Plattform für richtige Meditation. Und da weder Meditation, noch eine andere Technik dazu führen kann, dass sich die innere Tür öffnet, kann man sagen, dass Meditation erst nach dem ersten „Erleuchtungserlebnis“ sinnvoll ist.

Ganz am Ende kommt es dann als Nebenprodukt auch zum spontanen Handeln in der Welt – aus einer tiefgründigen Verankerung im Absoluten heraus. Selbsterkenntnis ist aber keinsfalls identisch mit einer Spontaneität im Handeln – das kann jedes Tier und jeder Idiot ohne Denkvermögen! Das perfekte Ergebnis der Selbsterkenntnis besteht darin, dass einer nicht nur herausfindet, dass er geistiger Natur ist, sondern auch, dass er zu einhundert Prozent zu dieser geistigen Natur wird und mit seinem Urgrund verschmilzt. Daraus ergibt sich dann alles möglich, unter anderem denkfreies, gewohnheitsfreies, spontanes und paradoxes Handeln.

Solange der Verstand noch scheinbar autonom handelt, ist einer noch Lichtjahre vom Ziel entfernt. Wenn der Verstand nicht mehr autonom handelt, dann ist einer auch noch Lichtjahre vom Ziel entfernt – aber er hat dann, wie oben beschrieben, eine stabile Plattform jenseits des Verstandes, von der aus er sich erforschen kann. Vom Ziel aus betrachtet ist jeder bereits am Ziel – das gilt aber nicht, wenn man das Ziel noch nicht oder nicht dauerhaft wahrnehmen kann. Wenn einer, der das Ziel nicht wahrnehmen kann, sagt, dass man nichts tun müsse, dann betrügt er sich und andere. Davon gibt es leider sehr viele und denen und ihren Opfern ist kaum noch zu helfen.

Wer betreibt Selbsterkenntnis? Die mit dem Körper „bekleidete“ Seele – also der geistige Urheber. Selbsterkenntnis wird nie vom Ego oder psychologischen Ich betrieben, das nur ein erzeugter virtueller Eindruck im Bewusstsein ist, genauso wie der Körper und die Umwelt. Beweis: ein toter Körper ist einer, der von der Lebenskraft/Seele/Geist abgelegt und verlassen wurde und der umgehend anfängt sich zu zersetzen und zu stinken. In dieser stinkenden Masse gibt es weder Leben, noch Ego oder psychologisches Ich. Das einzig Echte und Lebendige ist das Leben oder der Geist selbst.

Ich will hier keinem meine Sicht der Dinge überstülpen, jeder soll so leben und handeln, wie es ihm beliebt – das schließt auch beliebige Fehler ein. Wenn ich aber im Bereich der Selbsterkenntnis eine öffentliche Äußerung finde, die geeignet ist, Menschen in die falsche Richtung zu führen, dann muss ich einfach etwas dazu sagen – ohne dem Äußerer damit weh tun zu wollen.

Tatsächlich gibt es kein Ende der Selbst-Erkenntnis. Warum? Weil die Quelle unendlich ist. Daher ist Selbst-Erkenntnis eine unendliche Reise.