Denken aus dem Nicht-Denken heraus

Ich weiß nicht, wie das bei anderen ist – aber bei mir erfolgt das Denken immer aus dem Nicht-Denken heraus. Da ist Stille und dann wird etwas bewusst gedacht, das gerade gedacht werden muss. Dann ist wieder Stille. Da ist nicht wirklich ein bewusster Entschluss zu denken, in der Art: „Jetzt denke ich etwas„. Es ist still und dann ist das Bedürfnis da, zu denken, also erfolgt denken. Ich habe vorhin versucht, mir vorzustellen, wie es war, als es bei mir chaotisch gedacht hat – aber ich habe es vergessen. Ich weiß nur, dass das viele Jahrzehnte so war – aber nicht mehr, wie es genau war.

Das ist genauso, wie wenn ich mir vorstellen soll, wie ein Apfel oder eine Kirsche schmeckt. Ich weiß es nicht – bis ich es im Mund habe und darauf herumkaue. Dann weiß ich das und wenn ich runtergeschluckt habe und der Geschmack weg ist, weiß ich es nicht mehr. Irgendwie funktioniert das komplett anders, als bei anderen Menschen, die sich so etwas vorstellen können. Genauso ist es, wenn ich etwas anschaue – solange es da ist und ich es sehe, weiß ich, wie es ausschaut. Sobald der Blick weiter wandert, ist der Eindruck weg und ich weiß nicht mehr, wie er war.

Bei mir ist eine Sinneswahrnehmung immer nur da, wenn sie aktuell erlebt wird. Anschließend ist sie weg und ich kann sie nicht mehr zurück holen. Schaue ich in einen Spiegel, sehe ich, wie dieser Körper aussieht – drehe ich den Kopf weg, weiß ich es nicht mehr. Wenn ich das meiner Frau erzähle, dann schaut sie mich immer an, als ob ich nicht richtig im Kopf bin – sie kann sich alles vorstellen, was sie will – ich kann das nicht.

Vielleicht sind das alles Einflüsse, die dazu beitragen, dass es hier so still ist. Wenn jemand immerzu innere Bilder sieht, wie kann es da still sein? Jedes Bild ist doch mit Emotionen beladen und löst automatische Gedanken aus. Aber bei mir ist alles still und schwarz – da ist gar nichts, nur Körpergefühle (Druckstellen), das Gefühl, anwesend zu sein – und natürlich die Subjektivität der Ich-Zentren, wenn ich mich darauf konzentriere.

Ich habe das Gefühl, dass das einfach meine natürliche Art und Weise ist, wie ich funktioniere – weil ich überhaupt nichts dafür tun muss. Mich wundert immer nur, dass das offenbar bei fast allen Menschen anders ist. Ich verstehe das zwar aber es verwundert mich trotzdem, weil ich es mir nicht vorstellen kann. Diese Menschen sind für mich wie eine andere Spezies – weil sie komplett anders funktionieren. Mittlerweile komme ich mir manchmal vor, als wäre ich versehentlich auf dem falschen Planeten geboren worden…