Über Wahrheit

Ich habe gestern ein Video gesehen, das von der Wahrheit in der Außenwelt handelt – und will schreiben, was mir dazu hochgekommen ist. Der Autor spricht darin unter anderem über einen Sufi-Ausspruch: „In der Außenwelt ist die Wahrheit immer zu finden.“ und genauer: „Die Wahrheit ist immer auch in einer scheinbar noch so chaotischen, widersprüchlichen äußeren Wirklichkeit enthalten.

Dieser Spruch ist richtig und falsch zugleich. Richtig daran ist, dass die Außenwelt ein Ausdruck von absoluter Wahrheit ist: Die Außenwelt in ihrer Gesamtheit ist absolut wahr, WEIL SIE EXISTIERT.

Falsch daran ist, dass die absolute Wahrheit in der Außenwelt zu finden ist. In der Außenwelt ist auch eine Wahrheit zu finden – die relative Wahrheit.

Der Begriff „absolute Wahrheit“ ist ein Synonym zum Begriff „Existenz„.

Der Begriff „relative Wahrheit“ ist ein Synonym zum Begriff „Bewertung„.

Es gibt nur eine absolute Wahrheit und die ist identisch mit Existenz. Auf die Welt übertragen bedeutet das, dass sie in ihrer Gesamtheit ein Ausdruck der Existenz ist. Wie sie ist, spielt dabei überhaupt keine Rolle. Auf das Bewusstsein übertragen, in dem die Außenwelt erscheint, bedeutet das, dass alleine die Tatsache der Existenz dieser Erscheinung oder Information im Bewusstsein der absoluten Wahrheit entspricht. Der Informationsgehalt dieser Erscheinung ist für das Absolute (die Existenz) irrelevant und nur von Bedeutung für das Überleben des relativen Anteiles eines Menschen in dieser Außenwelt.

Wer also die absolute Wahrheit in der Außenwelt sucht, der muss zwangsläufig mit ihrem relativen Informationsgehalt umgehen und diesen bewerten. Wer weiß, dass alleine der Fakt des Vorhandenseins der Außenwelt ein Ausdruck der absoluten Wahrheit ist, dem reicht es, sie zur Kenntnis zu nehmen und nur die Anteile von ihr zu benutzen und zu bewerten, die er zum Überleben benötigt. Den restlichen Teil seiner Aufmerksamkeit kann er auf einen anderen Teil der absoluten Wahrheit richten – nämlich auch sich selbst, auf sein eigenes Inneres.

Das hebelt jeglichen Versuch aus, die Welt zu bewerten oder öffentlich zu kommentieren, was ebenfalls nichts anderes ist, als ein Ausdruck von Bewertung. Jeder Mensch hat nur eine bestimmte Kapazität an Aufmerksamkeit (Energie) und wenn er sie dazu nutzt, große Teile der relativen Bestandteile der Welt zu begutachten und zu bewerten, dann hat er nichts mehr übrig für den absoluten Anteil in ihm selbst.

Das mag für die meisten nur ein geschraubtes Gerede sein – zeigt aber dann nur deren Unverständnis und die Unfähigkeit, die absolute Wahrheit zu erkennen, die direkt vor ihren Augen existiert. Es geht nicht darum, wie die Welt ist, sondern nur darum, dass sie ist. Es geht um Existenz nicht um Informationsgehalt von Existenz.

Und das ist sogar beweisbar, denn die eigentliche Quelle aller Existenz ist nicht der Schöpfer, sondern seine tiefere Ebene, das Prinzip der Existenz an sich. Das Potential, dass ein X existiert, das bewusst weiß, dass es als X existiert. Denn nur aus einem Nicht-Sein heraus – dem Potential für bewusste Existenz – kann ein Bewusstsein dafür aufflammen, dass ICH existiere. Und zum Zeitpunkt der erstmaligen Erkenntnis der eigenen Existenz, gibt es nur diesen einen Inhalt im Bewusstsein. In genau diesem Moment der Erkenntnis der eigenen Existenz, hat das Prinzip der Existenz den Schöpfer geboren – also er sich selbst, aus sich selbst heraus.

Dabei ist es völlig egal, wer, was, wie, wann und wo dieses, sich seiner selbst bewusste Etwas, ist – das einzig Wichtige, der einzige Schatz den es besitzt und seine einzige Wahrheit, besteht darín, dass es bewusst existiert. Das ist das Wunder des Entstehens von Existenz aus Nicht-Existenz.

Genau das gleiche Prinzip gilt für die Welt: wichtig ist nicht, wie sie ist, sondern nur dass sie ist. Sie wurde geschaffen, damit in ihr Anteile des Schöpfers lernen können, was sie wirklich sind. Und das, was sie wirklich sind, ist nicht eine Projektion, wie die Welt, die nur im Bewusstsein des Schöpfers und seiner Geschöpfe auftaucht, sondern die Ursache der Projektion: ihr inneres Wesen, das ein getreues Abbild des Schöpfers ist.

Wir sind so etwas, wie Funken des göttlichen Lichtes, individualisierte, winzige Lichtstrahlen aus seiner Substanz. Und wir haben das Potential zu einem eigenen Schöpfer heranzuwachsen, der in der Lage ist, an der Schöpfung mitzuarbeiten. Das gilt für unser Hiersein als Mensch, als auch unser Nicht-Hiersein als geistiges Wesen, als Bestandteil des Schöpfers selbst.

Das ist keine Esoterik, wie sie heute verstanden wird, keine Nabelschau und auch kein Unsinn – das ist die Wahrheit, so wie ich sie sehen und fühlen kann. Der ursprüngliche Begriff „Esoterik“ ist eine andere Bezeichnung für „verborgene Wirklichkeit„. Esoterik war früher eine Geheimwissenschaft, die sich mit der inneren Realität befasste.

Ein Sucher oder „Esoteriker“ ist ein nach innen orientierte Mensch, der sich auf das Unsichtbare konzentriert, das Nicht-Offensichtliche, die wahre Realität. Ein außen orientierter Mensch, konzentriert sich dagegen auf das Sichtbare, das Offensichtliche, die Illusion.

Der Begriff „Esoterik“ ist heutzutage aber sehr negativ besetzt, weil es sich dabei seit Jahrzehnten um eine Art „spirituelle Unterhaltungs-Industrie“ handelt, mit tausenden von „Schein-Gurus“ und Produkten, die zum Abfangen zu wenig intelligenter Sucher existieren. Zu diesen „Schein-Gurus“ gehören übrigens auch alle Arten von religiösen, politischen und gesellschaftlichen Funktionären – also alle Menschen, die nur eine Schein-Kompetenz besitzen. Man erkennt sie unter anderem daran, dass sie versuchen, ihr nicht vorhandenes inneres Licht durch einen äußeren „Glanz“ oder „Anschein“ zu ersetzen.

Ich weiß, dass es ein paar einzelne Menschen gibt, die das kapieren – für die ist das hier gedacht. Der Rest besteht aus Lineardenkern, die nicht in der Lage sind, der absoluten Wahrheit zu folgen. Der Grund dafür besteht darin, dass die absolute Wahrheit kein gerader Strahl ist, sondern eine Krümmung, die sich letztlich zu einer Spirale ausformt. Das muss man nicht glauben – man braucht dazu nur in das Weltall hinaus zu schauen. Auch zahlreiche Vorgänge in der Natur entsprechen einer Exponential-Funktion, die immer eine Kurve beschreibt, also eine Krümmung.

Die relative Wahrheit ist dagegen eine Gerade, die noch nicht gelernt hat, sich zu krümmen – darum nennt man Menschen, die nur die relative Wahrheit erkennen können, auch Lineardenker. Sie können weder in Wahrscheinlichkeiten (Potentiale) denken, noch um die Ecke. Und da sich die Wahrheit oft hinter dem Vorhang verbirgt, muss man um die Ecke denken können, um sie zu sehen, man muss, bildlich gesprochen, den Vorhang in einer Kurve umgehen. Man muss sich auf die Wahrheit einschwingen.

Es gab in der Geschichte immer wieder Menschen, welche die Wahrheit erkannten – aber trotzdem die Welt retten wollten. Einer davon war Paul Brunton, der sein ganzes Leben lang versuchte, die Welt zu retten. Er wusste, dass die Welt eine Erscheinung im Geist ist – aber er hat einfach nicht kapiert, dass es seine Aufgabe ist, in der Welt zu existieren und sich in ihr zu entwickeln – egal, wie sie auch immer ist.

Natürlich müssen wir in dieser Welt überleben und dafür etwas tun und uns einbringen. Aber nur soweit, wie es notwendig ist, um das eigene Überleben und das der direkten Umgebung zu sichern. Alles  andere führt nur zur Zerstreuung der eigenen Energie – und solange man nicht über unendliche Mengen davon verfügt, sollte man rationell damit umgehen, denn ein Großteil davon wird zur inneren Entwicklung benötigt.

Der ehemalige Mentor von Brunton, Ramana Maharshi, wusste es besser als sein Schüler: er interessierte sich für die Welt – aber er versuchte niemals, sie zu beeinflussen. Ramana wusste, dass die Welt eine Erscheinung ist, die genauso sein muss, wie sie ist. Wer jemals erkennt, dass die Welt eine Erscheinung in seinem Geist und im Geist des Schöpfers ist, muss doch im nächsten Moment wissen, dass sie perfekt ist, genau so, wie sie ist. Oder etwa nicht? Um es völlig klar zu sagen: wer das nicht kapiert, der unterstellt dem Schöpfer, dass er unperfekt ist und nicht weiß, was er tut. Und mit Verlaub – das ist völlige Überheblichkeit!

Denn selbst dann, wenn alle Wesen in dieser Welt an Hunger, Durst oder Mord „verrecken„, selbst dann ist diese Welt perfekt. Warum? Weil diese Welt eine Projektion ist und das Echte nur darin spielt – wenn man so will, tut jedes echte, innere Wesen so, als ob es ein Mensch wäre. Das Echte ist unsichtbar, nicht fassbarer reiner Geist, Spirit und der kann nicht sterben – sterben kann nur das Falsche, die Illusion, die Projektion, die Erscheinung – das Sichtbare.

Das, was hier steht, bedeutet nicht, dass man nicht leben soll! Es bedeutet, dass man leben soll aber dabei immer wissen soll, was diese Welt ist und was man selbst ist. Das hilft dabei, die Aufmerksamkeit immer im richtigen Verhätnis auf die Welt und das Innere zu richten. Diese Balance muss jeder ernsthafte Sucher für sich selbst herausfinden und realisieren.