Der unpersönliche Raum

Heute morgen, als ich aufwachte, spürte ich, dass sich etwas verschoben hatte. Ich fühlte mich völlig klar und eindeutig als das Bewusstsein – und alle Eindrücke darin waren nichts anderes, als Informationen im Bewusstsein. Das war noch normal – aber dann spürte ich, dass ich in einen übergeordneten Raum eintreten konnte, der etwas „hinter“ dem subjektiven Bewusstseins-Raum liegt.

Dort ist es „kalt“ – es gibt keinerlei Subjektivität, kein warmes ICH, nur „kaltes, unpersönliches Bewusstsein“ das alles enthält, auch den subjektiven Bereich. Von dort aus betrachtet, waren alle Eindrücke von gleicher Art – es waren eindeutig Informationen, strukturiertes Bewusstsein. Es ist dort klar fühlbar, dass es keinen Unterschied zwischen ihnen gibt und auch nicht zwischen ihnen und mir. Alles ist aus der gleichen „Substanz“ gemacht.

Ich konnte dann mehrmals zwischen dem subjektiven Bereich und dem unpersönlichen hin und her wechseln. Dabei fiel mir ein gravierender Unterschied zum subjektiven Bereich auf. Der unpersönliche Bereich ist „dünner“ und „weniger dicht„, als der subjektive Bereich und mit einer Art „Grauschleier“ hinterlegt oder durchzogen. Jedenfalls war da ein Eindruck von „grau„.

Der subjektive Bereich hat folgende Eigenschaften: „ICH, subjektiv, liebevoll, dicht und warm„. Selbstverständlich hat das nichts mit dem Ego zu tun – ich meine eine bestimmte Zone innerhalb des Bewusstseins und nicht den Ego-Konstrukt, der ja nur aus Gedanken und Vorstellungen besteht! Der Verstand war deaktiviert – ich war in diesem Zustand nur reines Bewusstsein, das sich in sich selbst erkundet hat.

Wenn man vom unpersönlichen Bereich in den subjektiven wechseln möchte, dann „fließt“ man einfach „nach vorne“ – etwa in den Bereich, wo man die körperlichen Augen fühlen kann und „berührt“ diesen Bereich, der dann sofort „warm, subjektiv und ICH“ wird. Dann lässt man sich nach „hinten unten sacken“ und berührt den Bereich des Hinterkopfes und dahinter – was gleichartige Empfindungen hervorruft.

Schließlich fließt man nach „unten„, berührt die Mitte der Brust und den Unterbauch, was beide Zentren in den gleichen Zustand versetzt und verbindet das Vorderkopf-Zentrum mit einem „Strahl“ direkt mit dem Unterbauch-Zentrum und das Hinterkopf-Zentrum mit einem weiteren „Strahl“ mit Herz und Unterbauch. Der Begriff „Fließen“ ist nicht wörlich zu verstehen – es ist eine „Bewegung“ aber keine örtlich und zeitlich ausgeprägte. Das Bewusstsein ist überall gleichzeitig und braucht nicht zu fließen – es ist die Aufmerksamkeit, die ihren Fokus ändert, was den Eindruck von „Fließen“ erzeugt.

Wer das tatsächlich nachempfinden kann, der wird auch feststellen, dass er alle Zentren und deren Verbindungen im Bewusstsein „sehen“ und „fühlen“ kann. Ich weiß nicht, was das für ein Sinn ist – er hat nichts mit den körperlichen Sinnen zu tun – er gehört wohl zum Bewusstsein selbst.

Mir ist heute klarer geworden, was wohl bei den meisten Suchern schief läuft. Sie erreichen die Schwelle, gelangen hinter den Verstand, haben aber nicht die Fähigkeit ihre Subjektivität zu fühlen oder betrachten dieses Gefühl als einen Teil des Ego-Konstruktes. Dann versuchen sie, einen unpersönlichen Ankerpunkt zu finden und den gibt es tatsächlich – außerhalb des subjektiven Bereiches, hinter dem Hinterkopf und um den Kopf herum. Auch im Kopf gibt es einige Stellen, die, wenn man nicht sensitiv genug ist, vollkommen unpersönlich wirken – zum Beispiel in der Mitte, zwischen Vorder- und Hinterkopf.

Wenn ein Sucher den subjektiven Bereich ablehnt oder gar nicht erkennt, dann wird er wohl früher oder später im unpersönlichen Bereich landen – und erkennen, dass er Bewusstsein ist und dass alle Eindrücke in ihm sind und nicht außen und aus der selben Substanz gemacht – aus Bewusstsein. Dann wird er das so von sich geben und steif und fest behaupten, dass es kein Selbst gibt, keine Subjektivität, gar nichts – nur reines, unpersönliches Bewusstsein. Und aus seiner Sicht hat er sogar Recht – denn er erfährt es ja tatsächlich genau so. Und wenn er dann weiter nach „hinten“ geht, kommt er mit dem universellen Bewusstsein in Kontakt und glaubt sich möglicherweise im Absoluten. Spätestens zu diesem Zeitpunkt ist alles verloren.

Ich kann diesen Bereich aufsuchen, indem ich meinen Willen aktiviere und mich dort fokussiere – zumindest konnte ich das heute Morgen tun. Auf die gleiche Art gelangte ich auch wieder zurück in den subjektiven Bereich – und jedesmal, wenn ich in den subjektiven Bereich zurück kam, waren die auftretenden Gefühle sehr stark – ganz einfach deshalb, weil im unpersönlichen Bereich gar keine auftreten und der Kontrast daher sehr stark ist.

Wenn ein Sucher dazu neigt, diese Welt und dieses Leben hinter sich lassen zu wollen, dann wird er immer dazu tendieren, den unpersönlichen Bereich zu besetzen und den persönlichen zu meiden – denn er will ja fort von der Selbst-Wahrnehmung und der Welt-Wahrnehmung. Und ich denke, dass dies genau das Problem von Maharaj war. Hinzu kommt, dass er kein Wissen darüber hatte, wie man das Sein aktiviert und sich vertikal hingibt. Er war immer nur nach hinten orientiert, wollte weg aus dem persönlichen Bereich, weg von der Wahrnehmung des menschlichen Lebens, das ja stets mit Leiden durchsetzt ist. Und solange er den Verstand noch nicht beherrschen konnte, kann man das sogar verstehen – denn der Verstand ist die alleinige Ursache allen Leidens!

Den subjektiven Bereich zu meiden ist ein Kardinalfehler!

Ich kann jetzt erkennen, ob einer sich aus dem unpersönlichen Bereich heraus äußert oder ob aus dem persönlichen. Und eines kann ich jetzt schon sagen – Suzanne Segal und Ramana Maharshi waren beide im unpersönlichen Bereich – denn beide äußerten sich auf die gleiche Weise: sie gaben an, dass es kein persönliches Selbst gibt, dass alles aus der gleichen „Substanz“ gemacht ist und dass zuerst die Gleichheit gesehen wird und erst danach die (oberflächlichen) Unterschiede. Und das alles erkennt man aus dem unpersönlichen Bereich heraus. Es ist eine Art „Hülle“ oder „Schicht“ um den inneren, subjektiven Bereich herum – ihre Ausdehnung ist variabel.

Wenn man im subjektiven Bereich nicht sehr stabil ist und den Verstand nicht beherrscht, kann es dazu kommen, dass dieser weiter seine Spielchen treibt, wie das bei Suzanne Segal war, obwohl sie schon längst aus dem subjektiven Raum verschwunden war. In so einem Fall kann es wahrscheinlich auch zu Halluzinationen kommen, zu lebhaften, bildhaften Erscheinungen im Bewusstsein – etwas, das viele Mystiker erleben.

Suzanne Segal konnte jedoch überhaupt nichts an der ganzen Sache ändern, denn sie wurde regelrecht aus sich selbst heraus katapultiert. In der einen Sekunde fühlte sie sich, wie gewohnt – und in der nächsten war sie woanders und das gewohnte Gefühl, „Suzanne“ zu sein, war weg und kam nie mehr zurück.

Bei mir ist das völlig anders – ich kann willentlich in die verschiedenen Schichten wechseln. Das liegt aber wahrscheinlich daran, dass das bei mir eine langsame, graduelle Entwicklung war und ist – und kein plötzliches, explosives Versetzen in einen neuen Zustand. Die arme Frau dachte jahrelang, dass sie verrückt wäre und musste ihren wild gewordenen Verstand ertragen, der sie 10 Jahre lang täglich mit Terabytes an Irrsinn überschüttete.

Das ging so lange, bis jemand zu ihr sagte, sie solle einfach ihren Verstand zum Schweigen bringen, denn sie hätte kein Problem – nur ihr Verstand. Das tat sie dann auch und dann war Ruhe im Stall. Ab da ging es ihr besser und sie konnte sich in Ruhe auf die innere Entwicklung einlassen. Aber sie hat niemals wieder die subjektive Schicht erreicht – sie ging im Unpersönlichen auf. Daher lehrte sie auch, dass es kein Selbst gibt – und dass alles aus sich selbst heraus geschieht, was richtig ist. Es ist aber nicht richtig, dass es kein Selbst gibt – denn ich bin ich selbst – und ich bin Bewusstsein, subjektives Bewusstsein mit meiner eigenen Identität.

Ich kann aus meiner Sicht nur eines sagen – es ist ein Kardinalfehler, den inneren, subjektiven Bereich zu meiden oder willentlich zu verlassen. Denn dieser Bereich enthält unsere Identität und – wie ich es gestern bereits schilderte – ein Bewusstsein ohne fühlbare Subjektivität und Identität hat im Augenblick des Todes keine Kontinuität, weil es von allen anderen Inhalten geleert wird und daher seine Struktur verliert. Es hebt sich damit nicht mehr vom unstrukturierten Hintergrund ab, vermischt sich damit und ist unwiederbringlich verloren.

Man kann die Unstrukturiertheit bereits aus dem unpersönlichen Bereich heraus fühlen! Das ist der Eindruck von „grau„, den ich hatte und „dahinter“ schimmerte ein weiterer Bereich durch, der vollkommen „schwarz“ wirkte – also noch unstrukturierter. Der subjektive Bereich ist dagegen warm, wohlig, liebevoll und die Zentren sind hell – dieser Bereich ist stark strukturiert.

Wenn man das Ganze als eine Blase oder Kugel betrachtet, dann ist etwa in der Mitte vorne der subjektive Bereich. Die darum herum befindliche „Schale“ ist der unpersönliche Bereich. Außerhalb der Schale befindet sich der Ozean, die Quelle – welche auch alle anderen Bewusstseins-Sphären enthält. Die Strukturiertheit und Subjektivität des Bewusstseins nimmt also von innen nach außen ab.