Vereinigung der Räume

Wie kann man den scheinbaren „Innenraum“ mit dem scheinbaren „Außenraum“ vereinigen, so dass ein einziger Bewusstseins-Raum entsteht?

Ganz einfach: man schaut völlig unfokussiert nach „außen“ und nach „innen“ zugleich. Wie schaut man unfokussiert? Man richtet den Blick geradeaus, ohne etwas anzuschauen – dann sieht man nur „Raum“. Ob in diesem Raum Inhalt ist oder nicht, spielt keine Rolle. Der Inhalt soll nur nicht direkt angeschaut werden, sondern der Raum – also nichts direkt anschauen, sondern einfach unfokussiert „schauen“. Das fühlt sich an, wie ein weiter, weicher Blick – wenn man etwas fokussiert,wird der Blick eng und härter/konzentrierter.

Man kann das üben, indem man sich auf den Rücken legt und in den Himmel schaut. Wenn da Wolken oder Vögel sind, dann schaut man diese nicht an und wenn der Blick sich doch auf ein Objekt richtet, dann nimmt man ihn wieder zurück und schaut auf alles zugleich. Wenn man das beherrscht, dann tut man es „innen“ genauso. Man richtet dann seinen „inneren Blick“ – die innere Aufmerksamkeit – nicht auf ein Objekt, wie zum Beispiel einen Gedanken oder ein Körpergefühl, sondern schaut einfach nach „innen“.

Das ist sehr wichtig: Ein Gefühl des Raumes kommt nur dann zustande, wenn die Aufmerksamkeit an absolut nichts haftet! Alles muss frei fließen können und die Aufmerksamkeit bleibt wie angenagelt, statisch auf den Raum gerichtet! Aber man darf sich dabei auch nicht verkrampfen, weil daraus sonst zusätzliche Störquellen entstehen, die das Potential haben, dass sich die Aufmerksamkeit darauf richtet. Einfach entspannt schauen und der Raum sein.

Wenn man das „Schauen“ in beide Richtungen zuverlässig beherrscht, ohne dass der Blick (die Aufmerksamkeit) sich immer wieder auf ein Objekt fokussiert, dann tut man es gleichzeitig. Man schaut dann mit unfokussiertem Blick nach „außen“ und nach „innen“ zugleich. Wenn man nun noch gleichzeitig mit dem Zwerchfell (Bauchatmung) bewusst einatmet und ausatmet, dann öffnen sich beide Räume ineinander und ein gemeinsamer Bewusstseins-Raum entsteht.

Wichtig ist, dass ein Gefühl eines einzigen Raumes aufkommt! Das kann man nicht übersehen, denn es ist ein Gefühl einer weiten Öffnung, einer weiten Offenheit, so als ob man aus einem engen Zimmer ins Freie geht und so richtig aufatmen kann. Bei mir fühlt es sich so an, dass da nur ein Raum ist, der weder innen, noch außen ist. Da ist nur ein einziger, weiter Raum, in dem alle Objekte einfach da sind und wieder verschwinden. Nichts wird fokussiert, nichts festgehalten, nichts angenommen oder abgelehnt. Alles darf da sein und wieder verschwinden.

Mit „alles“ sind auch Gedanken und Gefühle gemeint. Da ist dann kein „Ego“ oder „Ich“ mehr, das etwas bewertet, sondern das „Ich“ ist in diesem Raum und wird beobachtet. Auch alle anderen Objekte sind in diesem Raum – alles darf da sein, wie es ist, nichts wird angenommen oder abgelehnt – weil keine Bewertung statt findet. Wenn man mit der Übung anfängt, sind wahrscheinlich viele Gedanken da. Wenn man aber standhaft bleibt, den Raum schaut und nicht eingreift, sie also weder beachtet, noch bekämpft, dann werden es immer weniger, bis am Schluss gar keine mehr kommen.

Wenn die Übung richtig funktioniert, und die Räume sich zu einem verbinden, dann ist da weder ein Innen, noch ein Außen. Wenn dann noch die Gedanken schweigen und nicht eingegriffen wird, dann gibt es weder Kontrolle, noch Aktivität, weder Festhalten, noch Loslassen, weder richtig, noch falsch, weder gut, noch böse. Da ist einfach nur der unendliche Bewusstseins-Raum, in dem alles sein darf, was ist. Wenn das Bewusstsein räumlich und still ist, dann ist da ein starkes Empfinden, von Stille, Frieden und Zeitlosigkeit. Es kann passieren, dass das Gefühl für den Körper beinahe verschwindet, dass es leicht und transparent wird – dann ist möglicherweise auch der gewohnte Lokalisationspunkt verschoben, etwa am Hinterkopf oder dahinter/darüber. Gedanken kommen nicht mehr auf – und wenn doch, dann lösen sie sich im Licht des Bewusstseins sofort wieder auf, ohne, dass etwas getan werden muss. Dieses Erleben ist nicht immer gleich.

Natürlich ist es nicht so, dass der Körper keine Aktivitäten mehr entfaltet. Es ist vielmehr so, dass in diesem gedankenlosen Zustand, völlig klar gesehen wird, dass da niemand ist, der etwas tut, sagt oder fühlt. Es wird dann zum Beispiel erkannt, dass da ein Hungergefühl ist, woraufhin der Körper sich erhebt und zum Kühlschrank geht. Wenn alles still ist, gibt es niemanden, der sagt: „Ich habe Hunger und hole mir jetzt etwas zu essen…“ Es wird dann erfahren, dass der Körper völlig losgelöst ist und die Aktivitäten selbstständig entfaltet, die gerade zu entfalten sind.

Die Handlungen sind dann nichts anderes, als Objekte im Bewusstseins-Raum, auf die nicht weiter geachtet wird. Sie geschehen einfach. Wer das wirklich sieht, braucht sich nicht mehr gedanklich zu verrenken, um es zu begreifen – sehen und begreifen sind dann eins. Man kann das nicht denken – der Verstand kann das nicht – man muss es erleben – DU musst es erleben – dann begreifst DU – und zwar endgültig!

Wohlgemerkt: Es ist hier nicht die Rede von einer Übung, die einmal am Tag für eine Stunde ausgeübt wird, sondern von einem Dauerzustand! Wer das so erlebt, nicht als einmalige Erfahrung, sondern als dauerhaftes, ununterbrochenes Erfahren, der ist völlig frei von gedanklichen Quälgeistern.

Ich habe diese Übung, genau so durchgeführt – fünf Jahre lang. Seit die Stille sich stabilisiert hat, läuft sie mühelos weiter. Zwar habe ich auf den inneren Ton gehört und damit Gewahrsamkeit erzeugt, welche dann die Gedanken vertrieben hat. Aber ich habe auch immer gleichzeitig nach außen und nach innen geschaut. Das hatte ich auch zuvor schon Jahrelang getan. Der Gedankenfluss hat vor etwa einem Jahr endgültig gestoppt – aber erst vor ein paar Monaten begann die Stille richtig aufzublühen. Das ist noch nicht die Realisation, sondern eine Vorstufe, denn es ist noch ein „Ich“ da.

Diese Übung entspricht dem, was ich selbst praktizierte und die Beschreibung der Auswirkungen, dem, was ich erlebte. Es wurde lediglich das Hören auf den inneren Ton weg gelassen und statt dessen das unfokussierte Schauen in den Mittelpunkt gesetzt. Der Effekt ist der gleiche – aber es sollte mehr Menschen möglich sein, diese Übung durchzuführen, als auf den inneren Ton zu hören.

Der natürliche Zustand ist genau so, wie das Ergebnis dieser Übung: räumlich, offen, weit, spontan, leer und gleichförmig, Aktionen entfalten sich aus sich selbst heraus, Nicht-Eingreifen, Nicht-Wissen, (Am Ende Nicht-Ich). Das bedeutet, wer diese Übung erfolgreich durchführt und die im vorherigen Satz gezeigten Eigenschaften aufweist, ist in seinem natürlichen Zustand – selbst dann, wenn innerlich noch gar nichts großartiges passiert ist. Wenn die Übung sich stabilisiert hat, wenn sie ohne jede Mühe vor sich geht, dann braucht man nicht mehr bewusst nach innen und außen zu schauen oder auf den inneren Ton zu hören! Dann ist das keine Übung mehr, sondern der natürliche Zustand des Bewusstseins. Solch ein Bewusstsein ist kristallklar, ohne Schlieren oder Flecken, ohne Unreinheiten, es ist wie ein leerer Raum und es stützt sich auf nichts. So erlebe ich das.

Das Geheimnis dieser Übung ist relativ simpel: Das, worauf die Aufmerksamkeit gerichtet ist, wird gestärkt. Richtet man es auf Objekte, dann werden diese stärker und vermehren sich (zB Gedanken). Richtet man sie aber auf den Raum selbst, dann wird dieser gestärkt, stabilisiert sich und dehnt sich aus. Richtet man die Aufmerksamkeit auf beide Räume gleichzeitig und atmet bewusst von einem in den anderen, dann vereinigen sie sich zu einem und dann sieht man, dass alles darin enthalten ist, dass es kein „Innen“ und kein „Außen“ gibt.

Und was ist dieser Raum? DU – das absolute Bewusstsein!

Wer diese Übung tatsächlich so durchführt, braucht wahrscheinlich einen langen Atem. Aber die Frucht dieser Übung, die gar keine ist, sondern das Einnehmen des angestammten Platzes, diese Frucht kann gar nicht überschätzt werden! Wer das wirklich tut, wird zu dem, was er wirklich ist – oder vielmehr – er erkennt, dass er gar nichts gewonnen hat, sondern nur seine Irrtümer verloren hat. Das kann aber nur der wirklich begreifen, der diese Übung tatsächlich durchführt – und zwar solange, bis die innere Explosion zu sich selbst geschieht – falls sie einem geschieht. Solange das noch nicht geschehen ist, wird das Ich im Bewusstseins-Raum bezeugt. Und solange es bezeugt wird, die Gedanken schweigen und der vereinigte Raum aufgespannt bleibt, herrschen Stille, Frieden und Zeitlosigkeit.