Entstehung der Illusion eine Person zu sein

Entstehung der Illusion, eine unabhängige Person zu sein, die denkt und in der Welt handelt

Der Gewahr-Seins-Raum ist lebendig und im Urzustand leer, dunkel und still. Solange das Gewahr-Sein nicht gelernt hat, sich mit dem Gewahr-Seins-Raum zu identifizieren und sich daran festzuhalten – oder wenn es das vergessen hat – identifiziert es sich automatisch mit dem ersten in ihm auftauchenden Objekt, dem Ich-Gefühl, woraus sich eine Kette von Illusionen entwickelt.  [Version vom 16.12.2015 21:40, wurde auf den neuesten Stand gebracht]

raumbewusstseinIm „natürlichen Zustand“ erfährt sich das Gewahr-Sein als etwas räumliches, als Gewahr-Seins-Raum, in dem die Gedanken, Subjekte, Objekte, Bewegungen und Ereignisse erscheinen. Da die Objekte im Gewahr-Seins-Raum alle gleichzeitig wahrgenommen und nicht beachtet werden, erscheinen sie als nicht voneinander getrennt und wirken, als hätten sie alle den gleichen Geschmack, als wären sie alle von gleicher Art.

In diesem Zustand identifiziert sich das Gewahr-Sein immer mit dem Gewahr-Seins-Raum, in dem die Objekte erscheinen – also mit sich selbst – und hält immer an diesem Raum fest. Man kann es auch als „offenes Bewusstsein“ bezeichnen oder als „offene Weite“, weil es einfach alles aufnehmen kann, was dort hinein projiziert wird und sich trotzdem immer als Raum wahrnimmt, in dem die Dinge erscheinen, egal wie intensiv die Wahrnehmung auch sein mag.

Wenn das Gewahr-Sein aber den Halt an sich, dem Gewahr-Seins-Raum, verliert – zum Beispiel, weil es sich auf ein einziges Objekt fokussiert und sich damit identifiziert, dann verengt es sich auf die Größe dieses Objektes. Das geht einher mit dem Verlust der Empfindung der Räumlichkeit des Gewahr-Seins-Raumes, in dem die Objekte nebeneinander erscheinen.

ichbewusstsein

Da der Ich-Gedanke immer das erste Objekt ist, das im Gewahr-Seins-Raum erscheint, identifiziert es sich mit diesem und dieses „ICH“ steht dann immer im Fokus, es verengt sich darauf und ist sich ständig des „Ich-Gefühls“ bewusst. Alle anderen Objekte, die in Wirklichkeit im Bewusstseins-Raum nebeneinander erscheinen, werden dann diesem ICH als Eigenschaften und Fähigkeiten zugeschrieben. Es sieht dann so aus, als ob da eine Person wäre, die ein Körper ist, der „ICH“ fühlt, Sinnes-Wahrnehmungen hat, und eine Welt außerhalb von sich selbst wahrnimmt, in dem andere Subjekte leben. Außerdem erscheint es so, als ob dieser Körper einen Verstand hat, der denken kann und einen freien Willen besitzt, der es befähigt in der Außenwelt selbstbestimmt zu agieren.

Es mag für das Ego so aussehen, als ob es der selbstbestimmt Handelnde ist. In Wirklichkeit ist aber die Lebenskraft (Shakti) der einzig aktive Part. Diese projiziert alle benötigten Informationen über Subjekte, Welt, Ereignisse und Handlungen in den passiv-empfangenden Gewahr-Seins-Raum hinein, in dem sie dann aufleuchten, wie auf einer Film-Leinwand.

Alles, was wahrgenommen wird – das gesamte Universum, inklusive allem, was darin kreucht und fleucht – befindet sich ausschließlich im Gewahr-Seins-Raum! Dies wird aber von den meisten Menschen nicht erkannt, da das reine Gewahr-Sein mit den menschlichen Sinnen nicht wahrnehmbar ist – und daher kaum jemand weiß, dass es existiert. Hier finden sich ausführlichere Informationen zum Thema Bewusstsein, Lebenskraft/Shakti und Verstand.

Die Aktivierung der Selbsterkenntnis durch die Lebenskraft/Shakti, führt letztlich dazu, dass das Gewahr-Sein sich selbst als Gewahr-Seins-Raum erkennt und beginnt, wieder an diesem festzuhalten. Das Ego erfährt sich dann als räumliches Bewusst-Sein, als Gewahr-Seins-Raum, in dem alles enthalten ist – auch der Ich-Gedanke, der Körper, die Gedanken, Gefühle und die Welt-Objekte. Spätestens ab diesem Zeitpunkt wird dann deutlich, dass es keinen Unterschied zwischen dem Ego (Ich-Bewusst-Sein) und dem Gewahr-Sein gibt und nie gegeben hat. Das scheinbare Ego ist in Wirklichkeit der Gewahr-Seins-Raum, der sich auf das Ich-Gefühl (Ego-Objekt) verengt hatte. Alles, was jetzt wahrgenommen wird, ist innerhalb dieses Gewahr-Seins-Raumes. Keines der darin befindlichen Objekte wird besonders beachtet – auch nicht das „Ich-Gefühl“ – deswegen ist der Gewahr-Seins-Raum unpersönlich. Das alles klar zu erkennen und zu fühlen ist mystische Einsicht.

Solange die Person und das Ego noch nicht endgültig im Selbst aufgelöst wurden, bleiben diese voll funktional erhalten. Falls das irgendwann bei mir passieren sollte, werde ich vielleicht darüber berichten. Bislang kenne ich nur die Beschreibungen von anderen.

Hier nochmal die genaue Darstellung der Entstehung der Kette von Illusionen:

  1. Der ursprüngliche Gewahr-Seins-Raum ist lebendig und im Urzustand leer, dunkel und still. Solange das Gewahr-Sein nicht gelernt hat, sich mit dem Gewahr-Seins-Raum zu identifizieren und festzuhalten, identifiziert es sich automatisch mit dem ersten in ihm auftauchenden Objekt, woraus sich eine Kette von Illusionen entwickelt.
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  2. Der ursprünglich leere Gewahr-Seins-Raum identifiziert sich mit dem stets als erstes auftauchenden Ich-Gefühl – er wird sich des Ich-Gefühls bewusst. Dazu verengt er sich auf dessen Größe und verliert dabei das Gefühl der Räumlichkeit. Daraus entsteht das Ich-Bewusst-Sein, die Illusion von „Ich“.
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  3. Das Ich-Bewusst-Sein identifiziert sich dann mit dem anschließend in der Wahrnehmung auftauchenden Körper und dem Namen. Daraus entsteht die Illusion einer Person.
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  4. Die Person identifiziert sich mit den automatisch auftauchenden Gedanken, woraus die Illusion entsteht, als ob die Person eine illusorische Einrichtung, namens Verstand besitzt, die in der Lage ist, Gedanken zu erzeugen.
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  5. Die Person nimmt die scheinbar in ihrem Verstand erzeugten Gedanken ernst. Da stets erst ein Gedanke aufkommt, dann ein anderer und dann Gedanken erscheinen, die zwischen den verschiedenen Gedanken abwägen und wählen, entsteht daraus die Illusion eines freien Willens.
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  6. Die Person identifiziert sich auch mit den anderen Objekten der Wahrnehmung, woraus die Illusion entsteht, neben dem Verstand, noch andere Fähigkeiten (sehen, hören, riechen, schmecken, reden, tasten, greifen, werfen…) zu besitzen und selbst zu benutzen. Und aufgrund des scheinbar freien Willens, entsteht die Illusion, ein selbstständig Handelnder zu sein.
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  7. Aufgrund der Illusion eine abgetrennte Person zu sein, ein selbstständig handelnder Körper, erkennt sie andere Objekte in ihrer Wahrnehmung, ebenfalls als scheinbar abgetrennte Personen in einer scheinbar abgetrennten Außenwelt.
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  8. Am Ende entsteht aus der gesamten Kette für das Gewahr-Sein die Illusion, eine Person zu sein, ein Körper mit einem Namen, der in einer dinglichen Außenwelt – bestehend aus Objekten (Welt) und anderen abgetrennten Personen – selbstständig handelt und versucht, seine Interessen gegen die der anderen durchzusetzen. Daraus entsteht die Illusion einer Gesellschaft.

Da das Gewahr-Sein nicht sinnlich wahrnehmbar ist – man kann sich nur des Gewahr-Seins-Raumes bewusst sein – hat niemand auch nur die kleinste Chance, zu bemerken, was für einem gigantischem Selbst-Betrug er da auf den Leim geht. Selbst das Hören oder Lesen der Wahrheit nutzt nichts, weil niemand einfach so aus den Gedankenkonstrukten aussteigen kann. Lesen wirkt hier sogar noch als Gedanken-Multiplikator.